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Mit dem Rauchen aufzuhören fällt vielen leichter, wenn das Repertoire der Entwöhnungshilfen groß und bezahlt ist.

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Tabakrauchen stellt den ätiologischen Hauptfaktor für die Entstehung einer COPD und eine entscheidende Bedingung für den weiteren Krankheitsverlauf dar. Dennoch bleiben bis zu 40 % der COPD-Patienten aktive Raucher. Durch eine wirksame Prävention des Tabakrauchens wäre ein Großteil der COPD-Inzidenz zu verhindern beziehungsweise die Langzeitprognose der Erkrankung entscheidend zu verbessern. Jedoch gelingt nur einem Teil dieser Patienten die Tabakentwöhnung ohne professionelle Hilfe. Die Effektivität verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Maßnahmen zur Tabakentwöhnung ist mit hoher, robuster Evidenz metaanalytisch gesichert und wird durch die einschlägigen Leitlinien zur Behandlung der Tabakabhängigkeit sowie durch Beschlüsse und Empfehlungen des IQWiG und des G-BA bestätigt. Dennoch verbietet die derzeitige Gesetzeslage (§34 SGB-V) eine Kostenübernahme für medikamentöse Therapien zur Tabakentwöhnung in Deutschland. Damit wird die Behandlung der Tabakabhängigkeit zur Lebensstilproblematik degradiert.

Modellprojekt mit vollständiger Kostenübernahme

Ferner werden verhaltenstherapeutische Gruppenkurse zur Tabakentwöhnung lediglich als Präventionsleistung nach §20 SGB-V anerkannt und dadurch von den Krankenkassen nur geringfügig bezuschusst. Übrige ärztliche Leistungen zur Tabakentwöhnung muss der Patient als individuelle Gesundheitsleistungen selbst finanzieren. Auch die psychotherapeutische Behandlung der Tabakabhängigkeit im Rahmen der Psychotherapie-Richtlinien ist als Kassenleistung nicht erstattungsfähig.

Im Rahmen eines Modellprojekts erfolgte erstmals eine vollständige Kostenübernahme für eine evidenzbasierte und leitlinienorientierte ärztliche und psychotherapeutische Tabakentwöhnung inklusive medikamentöser Unterstützung im Rahmen der GKV.

Die „AOK PLUS-Studie zur strukturierten Tabakentwöhnung durch pneumologische Facharztpraxen und Psychotherapeuten in Sachsen und Thüringen mit Minimalintervention vs. Maximalintervention“ (ATEMM-Studie) wurde in Kooperation der TU Chemnitz (Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie), des Berufsverbandes der Pneumologen in Sachsen e. V. und der AOK PLUS realisiert. Für die Studie wurde ein multimodales und interdisziplinäres Tabakentwöhnungsangebot für aktiv rauchende Patienten mit drohender oder bestehender COPD in der vertragsärztlichen Versorgung entwickelt. Diese erhielten eine strukturierte Tabakentwöhnung unter Realbedingungen nach S3-Leitlinie „Tabakentwöhnung bei COPD“. Als Maximalintervention wurden ein ärztlich geleiteter Gruppenkurs, im Bedarfsfall medikamentöse Unterstützung (Vareniclin, Nikotinersatzprodukte oder Bupropion) sowie eine 12-monatige proaktive telefonische Nachbetreuung vollfinanziert angeboten.

Bei Maximalintervention deutlich höhere Chance auf dauerhafte Abstinenz

Bei ausgeprägter psychischer Komorbidität und/oder mangelnder Gruppenfähigkeit wurde die Entwöhnung in Einzelfällen (rund 5 %) durch niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten analog der Richtlinienpsychotherapie durchgeführt. Patienten in der Vergleichsgruppe (Minimalintervention) erhielten eine ärztliche Kurzberatung (motivierende Ansprache) während der Routinesprechstunde ohne Kostenübernahme von Medikamenten.

Nach 12 Monaten war fast die Hälfte der Teilnehmer der Maximalintervention (n = 524) nach strengen Kriterien (ärztliche Untersuchung, CO-Messung im Exhalat) rauchfrei, aber nur knapp jeder Zehnte in der Minimalintervention (n = 257). Bei der Maximalintervention war die Chance für eine dauerhafte Abstinenz 10-mal höher als bei der Minimalintervention.

Die Resultate belegen, dass Patienten mit hoher Akzeptanz die Tabakentwöhnungsintervention in Anspruch nehmen, wenn ihnen diese vollfinanziert durch Pneumologen angeboten wird.

Die mit diesem Programm erzielten hohen Abstinenzraten unterstützen die Forderung nach einer vollfinanzierten heilkundlichen Tabakentwöhnung in Deutschland.