Immer schneller, immer einfacher, immer einheitlicher: Das schien lange der einzige Weg in der pneumologischen Schlafmedizin zu sein: Immer schneller zur Diagnose und Therapie, das bedeutet immer einfacher in der Diagnostik, also Beschränkung möglichst auf einen einzelnen Parameter, der alles erklären soll, und immer einheitlicher in der Therapie, also möglichst alles mit CPAP behandeln.

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© Big Cheese Photo / Tinkstock

Die Krankheitsbilder sind komplex

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre und unsere aktuellen Diskussionen weisen jedoch in eine ganz andere Richtung: Es wird immer deutlicher, dass der einzelne Parameter (Apnoe-Hypopnoe-Index, AHI) das Krankheitsbild schlafbezogener Atmungsstörungen völlig unzureichend darstellen kann. Wer käme auch auf die Idee, dass zum Beispiel die linksventrikuläre Ejektionsfunktion die Herzinsuffizienz in ihrer Komplexität erklärt oder die FEV1 alle Facetten der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit beschreibt?

Die Heterogenität der Symptomatik und das weite Spektrum an klinischen Phänotypen machen deutlich, dass diese Form von Simplifizierung auch dem Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen nicht gerecht werden kann. Die Konsequenzen sind deutlich: Aufwändige Behandlungen werden fehlindiziert, Probleme im Verlauf nicht erkannt.

Auch lernen wir, die Komplexität der Pathophysiologie immer besser zu verstehen. Natürlich spielt die mechanische Einengung der oberen Atemwege weiter eine wesentliche Rolle, die Reaktivität der pharyngalen Muskeln, die Arousability - die Bereitschaft des Gehirns zur Weckreaktion - und das Aktivitätsniveau der Atmungsregulation tragen aber entscheidend zum Krankheitsgeschehen bei.

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Prof. Dr. med. Winfried J. Randerath

Krankenhaus Bethanien gGmbH

Aufderhöher Straße 169-175

42699 Solingen

Randerath@klinik-bethanien.de

Genau hinschauen

Der differenzierte Blick auf den klinischen Phänotyp, charakterisiert durch Anzahl und Art der respiratorischen Störungen, durch die heterogene Symptomatik von Schläfrigkeit, Insomnie bis zur Minimalsymptomatik und durch die kardiovaskulären und metabolischen Konsequenzen, aber auch die Analyse der Bedeutung der pathophysiologischen Komponenten beim individuellen Patienten bieten Perspektiven für eine immer gezieltere Behandlung. Sie kann auf die mechanische Obstruktion zielen, versuchen, die Muskelfunktion zu verbessern, oder eine übersteigerte Atemregulation zu bremsen. Hier stehen wir vor der Entwicklung von Medikamenten, die gezielt einwirken könnten. Pharmakologische Ansätze tun sich auch für das nicht unerhebliche Problem der Restschläfrigkeit trotz optimaler Behandlung auf.

Es ist also eine gute Gelegenheit sich wieder neu mit einzelnen Facetten der pneumologischen Schlafmedizin zu beschäftigen. In dieser Ausgabe der PneumoNews stellt Simon Herkenrath den aktuellen Stand zu Unterkieferprotrusionsschienen vor, die für eine schon recht klar definierbare Patientengruppe gezielt eingesetzt werden können. Neue Wege der Kombinationstherapie tun sich auf. Digitalisierung berührt jedes Feld der Medizin. Ihre Rolle in der Schlafmedizin, insbesondere auch in der Begleitung der Patienten, beleuchtet der Schwerpunktartikel von Holger Hein. Einen wichtigen Beitrag zum pathophysiologischen Verständnis bei Patienten mit kardialen Komorbiditäten stellt Jens Spießhöher vor. Ihnen allen, aber nicht zuletzt auch den Autoren des Journal Clubs, möchte ich von ganzem Herzen für ihre spannenden Arbeiten danken.

Die Beiträge zeigen, wie facettenreich die Schlafmedizin sich heute darstellt. Für diese Gelegenheit möchte ich mich ganz herzlich beim Springer Medizin Verlag bedanken. Ich freue mich über Ihr Interesse und Ihre Rückmeldung.