Hintergrund und Fragestellung: Die Gabe von Adrenalin während der kardiopulmonalen Reanimation wird schon seit längerem kontrovers beurteilt. In den Empfehlungen des europäischen Resuscitation Council Guidelines aus dem Jahr 2015 wird zwar weiterhin die Gabe von Adrenalin sowohl bei nicht defibrillierbarem als auch bei defibrillierbarem Rhythmus (erst nach der dritten erfolglosen Defibrillation) empfohlen, gleichzeitig wird aber formuliert, dass es zunehmende Bedenken hinsichtlich der möglichen schädlichen Wirkung von Adrenalin gibt.

Große Beobachtungsstudien zeigen, dass es durch die Gabe von Adrenalin, basierend auf alfaadrenergen Effekten und konsekutiver Verbesserung der Koronarperfusion, häufiger gelingt, einen Spontankreislauf wiederherzustellen. Demgegenüber stehen aber die ungünstigen betaadrenergen Effekte, die zu Arrhyhtmien, erhöhtem myokardialem Sauerstoffverbrauch und einer Verschlechterung der Mikrozirkulation führen können.

Vor diesem Hintergrund initiierte ein internationales Konsortium weltweit führender Fachgesellschaften die sogenannte PARAMEDIC2-(Prehospital Assessment of the Role of Adrenaline: Measuring the Effectiveness of Drug Administration in Cardiac Arrest)Studie, in der der Stellenwert von Adrenalin bei der außerklinischen Reanimation untersucht werden sollte.

Patienten und Methoden: In einem randomisiert-kontrollierten Studiendesign erhielten 8.014 Patienten mit außerklinischem Herzkreislaufstillstand im vereinigten Königreich Adrenalin (1 mg alle 3 bis 5 Minuten) (4.015 Patienten) oder Placebo (0,9 % NaCl) (3.999 Patienten) zusätzlich zur Standardtherapie gemäß den ERC-Empfehlungen. Der primäre Endpunkt war das 30-Tage-Überleben. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem das Überleben bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus mit günstigem neurologsichen Befund (modified rankin scale ≤3).

Ergebnisse: Nach 30 Tage waren 130 Patienten (3,2 %) der Adrenalin-Gruppe und 94 (2,4 %) der Placebo-Gruppe am Leben (nicht adjustierter Schätzwert für Überleben 1,39; 1,06–1,82; p = 0,02). Allerdings bestand kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Anzahl von Patienten, die mit günstigem neurologischem Befund lebend aus der Klinik entlassen wurden (87 [2,2 %] vs. 74 [1,9 %]. Vielmehr waren in der Adrenalin-Gruppe häufiger schwerwiegende neurologische Defizite (4 oder 5 Punkte der modifizierten Ranking-Skala) bei den Überlebenden zu verzeichnen (39 Patienten [31,0 %] in der Adrenalin-Gruppe und 16 Patienten in der Placebo-Gruppe [17,8 %]).

Schlussfolgerung: Der Einsatz von Adrenalin bei der außerklinischen Reanimation führt im Vergleich zur Placebogabe zwar zu einem besseren Überleben, gleichzeitig ergibt sich aber keine höhere Rate von Patienten mit günstigem neurologischem Befund.

Kommentar Prof. Dr. med. Stephan Budweiser

Wann ist Adrenalin-Gabe vielleicht doch noch sinnvoll?

Die Ergebnisse dieser großen internationalen Studie wurden vor dem Hintergrund der kontroversen Datenlage zur Gabe von Adrenalin bei außerklinischem Herzkreislaufstillstand mit Spannung erwartet. Tatsächlich bestätigt diese Arbeit die aus Beobachtungsstudien beschriebenen Ergebnisse. Wie erwartet war der Anteil der Patienten, die bereits außerklinisch wieder einen Spontankreislauf erlangten, in der Adrenalin-Gruppe signifikant höher (36,3 % vs. 11,7 %). Korrelierend hierzu wurden ebenso mehr Patienten der Adrenalin-Gruppe in die Klinik gebracht. Dennoch war, trotz höherer Überlebensrate der Adrenalin-Gruppe, das Überleben mit günstigerem neurologischem Befund nicht besser. Über den Grund für das vergleichsweise schlechtere neurologische Outcome der Patienten, die Adrenalin erhielten, kann letztlich nur spekuliert werden. Wahrscheinlich spielt hier die Verschlechterung der Mikrozirkulation durch Adrenalin bzw. die besondere Vulnerabilität des Gehirns gegenüber Hypoxämie die entscheidende Rolle.

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Wenn ein Überleben nur mit Gehirnschaden möglich ist, würden sicher die wenigsten reanimiert werden wollen.

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Auch die Autoren diskutieren in Anbetracht dieser Ergebnisse und der Tatsache, dass 112 Patienten behandelt werden müssen, damit ein Patient überlebt, den Einsatz von Adrenalin eher kritisch. Insbesondere muss aber berücksichtigt werden, dass in dieser Studie etwa jeder zweite überlebende Patient ein schweres neurologisches Defizit davon trug. Dem Design der Studie entsprechend kann natürlich nicht beurteilt werden, ob etwa höhere Dosen von Adrenalin, ein anderes Dosierungsschema oder auch der noch frühere Einsatz des Vasopressors andere Ergebnisse geliefert hätte. Dies erscheint mir aber auf dem Boden der geschilderten pathophysologischen Effekte von Adrenalin und anderer Studien wenig wahrscheinlich. Leider kann auch diese Studie keinen Aufschluss darüber geben, unter welchen konkreten Bedingungen die Adrenalin-Gabe vielleicht doch sinnvoll ist.

Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass einem guten neurologischen Outcome nach kardiopulmonaler Reanimation den meisten Menschen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als das Überleben per se, wirft insgesamt eher einen Schatten auf die Adrenalin-Gabe. Man darf gespannt sein, zu welchen konkreten Leitlinien-Empfehlungen diese wirklich bedeutende Arbeit seitens der Fachgesellschaften führt.

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Prof. Dr. med. Stephan Budweiser