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Ein Makrophage (pink) attackiert Mycobacterium tuberculosis (orange). TB nimmt wieder zu, in Deutschland ist das aber beherrschbar.

© Kateryna Kon / Science Photo Library

Im Jahr 2014 verabschiedete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die End-Tuberkulose-(TB-)Strategie. Die ambitioniert formulierten Ziele beinhalten eine Reduktion der durch TB bedingten Todesfälle um 95 % und die Reduktion der TB-Inzidenz um 90 % bis zum Jahr 2035. Bereits im Jahr 2020 soll weltweit keine Familie eines TB-Patienten mehr unter katastrophalen Kosten im Zusammenhang mit der Erkrankung leiden.

Nur wenige Jahre später erscheinen diese Ziele unerreichbar. Wir erleben aktuell ein historisches Hoch an TB-Erkrankungen. Sie ist die häufigste zum Tod führende Infektionserkrankung weltweit. In diesem traurigen Rekord hat sie die HIV-Infektion überholt. Laut Angaben der WHO stirbt ein Drittel aller HIV-infizierten Menschen letztlich an einer TB. Binnen der vergangenen 5 Jahre ist die Zahl der Menschen, die jährlich an TB erkranken, von 8,6 auf 10,4 Millionen gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der registrierten Neuerkrankungen durch multiresistente TB-Bakterien (MDR-TB) jedes Jahr um mehr als 20 %. Inzwischen hat diese Entwicklung auch eine politische Dimension. Im Sommer 2017 machten die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder erstmalig auf die Entwicklung der Antibiotikaresistenz der TB-Erreger aufmerksam. In manchen Ländern Osteuropas, z. B. in Weißrussland oder in der Republik Moldau, sind in beinahe der Hälfte aller TB-Erkrankungen die beiden besten Medikamente für die Therapie unwirksam. Im Herbst 2018 wird sich die UN-Vollversammlung mit der TB befassen. Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte der UN, dass sich die Staatengemeinschaft in diesem Gremium der Bedrohung durch eine spezielle Infektionskrankheit widmet.

Die TB ist eine armutsassoziierte Erkrankung. In den wohlhabenden Ländern Westeuropas ist sie selten. Aber noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug die migrationsbedingte Zuwanderung nach Deutschland im Jahr 2015 1,14 Millionen Personen. Da sich hierunter auch Menschen aus TB-Hochinzidenzländern befinden, stieg auch die Zahl der TB-Neuerkrankungen in Deutschland zwischen 2014 und 2015 um 29 %. Für Menschen aus manchen Herkunftsländern wie Somalia, Eritrea, Afghanistan und Pakistan ist das Risiko sehr hoch, in Deutschland an TB zu erkranken. Für sie ist eine frühe Diagnostik und gute Prävention besonders wichtig.

Aber auch wenn das Ziel einer tuberkulosefreien Welt ohne eine wirksame Vakzine unerreichbar erscheint, gibt es in Deutschland keinen Grund zur Panik. In unserem Land bleibt die TB trotz Zuwanderung selten und die Therapieoptionen sind hier ausgesprochen gut. Die Gefahr, dass die „weiße Pest“ nach Deutschland zurückkehrt, besteht auf absehbare Zeit nicht. Grund für den Optimismus sind ein gut funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen, neue Diagnoseverfahren und exzellente Therapien, auch für Patienten mit einer MDR-TB. Hieraus ergibt sich auch die Verantwortung, Zuwanderern und Menschen in Ländern mit weniger Ressourcen zu helfen, z. B. den osteuropäischen EU-Nachbarn.

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Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange

Med. Klinik, Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, Klin. Tuberkuloseeinheit (ClinTB) des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), Lehrstuhl für International Health/Infectious Diseases, Universität zu Lübeck, Dept. of Medicine, Karolinska Institut, Stockholm, Schweden Anschrift Forschungszentrum Borstel: Parkallee 35, 23845 Borstel clange@fz-borstel.de

Kostenfreie telefonische TB-Beratung

Am Forschungszentrum Borstel in Schleswig-Holstein befindet sich der Sitz des Nationalen Referenzzentrums für Mykobakterien. Im vergangenen Jahr wurden an der Medizinischen Klinik des Leibniz Lungenzentrums in Borstel mehr als 100 TB-Patienten behandelt, darunter 30 mit MDR-TB. Jährlich erstellt das klinische TB-Team mehr als 1.000 telefonische Konsile (TBinfo: 04537 1880). Der Service ist kostenfrei.

In dieser Schwerpunktausgabe der Pneumo News erklären Constanze Born und Kolleginnen und Kollegen von der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel, welche Hindernisse überwunden werden müssen, um die Ziele der End-TB-Strategie zu erreichen. Barbara Kalsdorf und ihr Autorenteam vom Tuberkulosezentrum geben zusätzlich eine aktuelle Übersicht zur Diagnose und Therapie bei TB. Hoffentlich sind diese Arbeiten für Ihre tägliche Praxis hilfreich.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!