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Fragestellung: Welche Bedeutung hat die Luftverschmutzung für die Entstehung eines Asthma-COPD-Overlap-Syndroms?

Hintergrund: Die gesundheitlichen Auswirkungen des Einatmens von verschmutzter Luft reichen von kurzdauernden akuten Reizungen des Bronchialsystems bis hin zu erheblichen Einflüssen auf die Morbidität an chronischen respiratorischen Erkrankungen, koronarer Herzkrankheit, Diabetes, Hypertonie und Bronchialkarzinom. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation von 2010 gehen weltweit etwa 3,1 Millionen Todesfälle und 3,1 % der Lebensjahre in Behinderung (DALY) auf das Konto der Inhalation von Feinstaubpartikeln (PM2.5). Darunter versteht man Teilchen mit einem medialen Durchmesser von 2,5 μm oder weniger, die klein genug sind, um in die kleinsten Atemwege vorzudringen. Als weiterer Bronchialschädling gilt die hohe Ozonkonzentration, die die bodennahe Luft verkehrsreicher Gegenden besonders in heißen Sommermonaten belastet. In den letzten Jahren beobachten Pneumologen zunehmend Patienten mit Asthma bronchiale, die im Laufe ihrer Erkrankung Charakteristika einer COPD entwickeln. Diese Patienten firmieren unter dem Schlagwort des Asthma-COPD-Overlap-Syndroms (ACOS).

Patienten und Methoden: Im öffentlich finanzierten Ontario Asthma Surveillance Information System (OASIS) wird der Krankheitsverlauf von etwa 2,1 Millionen Asthmatikern der kanadischen Provinz Ontario fortlaufend erfasst und zentral registriert. Hier einbezogene Patienten waren im Jahr 1996 mindestens 18 Jahre alt. Diese Datenbank wurde mit den Daten der Canadian Community Health Survey (CCHS) verlinkt, wodurch man Angaben zu einschlägigen anamnestischen und biometrischen Daten erhielt. Als Definitionskriterium für eine COPD galt die ärztliche Diagnose sowie eine Hospitalisierung oder drei und mehr ambulante Untersuchungen wegen COPD innerhalb von zwei Jahren. Angaben zur Luftqualität erhielt man von 49 festen Messstellen in der Provinz Ontario zwischen Januar 1996 und Dezember 2013.

Ergebnisse: Zwischen 1996 und 2009 wurde bei 414.568 Personen über 18 Jahre in der Provinz Ontario ein Asthma bronchiale diagnostiziert und sie damit in das OASIS-Register eingeschlossen. Etwa 1,5 % dieser Population (n = 6.040) lieferten auch Daten im CCHS. Aus diesem Personenkreis entwickelten 630 Personen (10,4 %) ein ACOS. Bezüglich der durchschnittlichen jeweiligen PM2,5- und O3-Belastung sowie des Nikotinkonsums bestand bei den Gruppen der Asthma- und der Overlap-Patienten kein statistisch signifikanter Unterschied. In einem adjustierten Regressionsmodell, das beide Schadstoffe berücksichtigte, zeigte sich allerdings, dass die Hazard Ratio für das Auftreten eines Overlap-Syndroms durch die kumulative Exposition gegenüber PM2,5 2,78 und gegenüber O3 1,31 betrug. Obwohl durch die umweltpolitischen Anstrengungen in Kanada der Grad der Luftverschmutzung in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen hat, kam es dennoch zu einer Zunahme der COPD bei Patienten mit Asthma bronchiale.

Schlussfolgerung: Die Feinstaubbelastung durch den Verkehr in Ballungsräumen trägt zur Entwicklung von ACOS bei.

Kommentar von Prof. Dr. med. Hermann S. Füeßl

Zeitpunkt des Belastungsbeginns wichtig

Die methodisch aufwändige Untersuchung wirft ein Schlaglicht auf ein gesundheitliches Problem, das gerne vernachlässigt und verschwiegen wird. Weil die Gemengelage hochkomplex ist, ist die Gewinnung valider Daten schwierig, wodurch sich je nach Interessenlage immer Möglichkeiten der Kritik eröffnen. Zudem sind statistische Mittelwerte über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung nur sehr eingeschränkt aussagekräftig, da sich die Folgen für das Bronchialsystem sehr heterogen darstellen. Aus Gründen, die wir noch nicht kennen, scheinen einige Patienten mit Asthma bronchiale weitgehend immun zu sein, während andere schwere Schädigungen davontragen. Möglicherweise spielt es eine Rolle, ob die Exposition bereits in der Kindheit oder erst im höheren Alter beginnt. Es handelt sich also um ein Problem, das schleichend auftritt, nicht jeden betrifft und durch zahlreiche Imponderabilien beeinflusst wird. Bei gleichzeitig erheblichen ökonomischen und sozialen Konsequenzen, welche die Verbesserung der Luftqualität mit sich bringt, ist das die klassische Situation, die politisches Handeln sehr erschwert. Bei allen Unwägbarkeiten leistet die Studie doch einen weiteren Beitrag, damit die Gefahren der Feinstaubexposition verstärkt ins Bewusstsein von Betroffenen, Ärzten und (Gesundheits-)Politikern rücken.

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Prof. Dr. med. Hermann S. Füeßl