In Schleswig-Holstein haben die ersten Flüchtlinge ihre elektronischen Gesundheitskarten erhalten. Damit bekommen sie ohne den bislang vorgeschriebenen Umweg über Behandlungsscheine — ausgestellt durch kommunale Verwaltungsangestellte — direkten Zugang in Arztpraxen. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) lobte die Chipkarte als wichtigen Schritt zur Gleichberechtigung und Entlastung aller Beteiligten. Gemeinsam mit AOK-Landeschef Tom Ackermann überreichte sie die Karten an eine syrische Flüchtlingsfamilie aus Büdelsdorf. Tatsächlich gehört die Familie damit zu einem kleinen Kreis von Flüchtlingen. Bei einem Blick in andere Bundesländer zeigt sich: Sechs Länder sind von dem Entwurf einer Rahmenvereinbarung zwischen Kassen und Regierung noch weit entfernt, Bayern hat sich vom Konzept völlig distanziert, und in Ländern, in denen die Rahmenvereinbarung steht, lehnen viele Kommunen die Gesundheitskarte ab. In NRW etwa haben bisher lediglich 16 Städte die E-Cards eingeführt. Viele Kommunen wie Dortmund und Essen haben sich offen gegen die Einführung ausgesprochen. Die bisherige Organisation der Versorgung sei kostengünstiger als die Verwaltungsgebühr, die die Landesrahmenvereinbarung für die Kassen vorsieht. Demnach müssen die Gemeinden 8% der Gesundheitsausgaben, mind. aber 10 Euro pro angefangenem Behandlungsmonat und Leistungsberechtigtem zahlen. Die Therapiekosten übernimmt nach wie vor die Kommune; Kassen springen nur als Dienstleister ein.

Die Verhandlungen für eine bundesweite Rahmenempfehlung laufen noch. Man hoffe, bereits bis Ende Januar einen Entwurf vorlegen zu können, der dann mit den Verbänden abgestimmt werden müsste, stellt Uwe Lübking aus dem Dezernat Gesundheitspolitik des Deutschen Städte- und Gemeindetags in Aussicht.„Dass in Nordrhein-Westfalen bisher nur wenige Kommunen beigetreten sind, spricht nicht für die Rahmenvereinbarung”, kritisiert er. Einen konkreten Wert für die bundesweit angestrebte Empfehlung für die Verwaltungsgebühr könne er jedoch noch nicht nennen. „Letztlich müssen wir schauen, welche Dienstleistung erbracht wird, die diese Gebühr rechtfertigt.“ Mit den Kosten, die aktuell durch das Ausstellen der Behandlungsscheine anfielen, müsse dann „gegengerechnet" werden.

Büdelsdorfs Bürgermeister Jürgen Hein erwartet, dass seine Verwaltung durch die Chipkarte spürbar entlastet wird. „Das gibt uns Luft. Frei werdende Ressourcen können wir für andere Aufgaben zur Integration der Flüchtlinge aufwenden“, sagte Hein.

Trotz der Kosten, die im Norden ebenso hoch angesetzt sind wie in NRW, erwartet Hein letztlich Einsparungen. Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, wird nach zwei Quartalen evaluiert.

„Das können wir uns nicht leisten"

Dabei ist NRW nicht das einzige Land, aus dem Kritik laut wird: Auch die saarländischen Landkreise, die für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge zuständig sind, haben Abstand genommen. „Das können wir uns nicht leisten", so der Geschäftsführer des Landkreistages, Martin Luckas. Durch die Gesundheitskarte verringern sich die Kosten für die Kommunen „nicht zwingend", so Helmut Dedy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Aber: Mit den steigenden Flüchtlingszahlen seien die Gesundheitskosten der Kommunen zum Teil „deutlich gewachsen", eine Entlastung bleibe wichtig.

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Amer Ahmed, seine Frau Antiya und Sohn Mohamed erhielten in Kiel aus den Händen von Landesgesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD, rechts) und AOK-Chef Tom Ackermann (links) elektronische Gesundheitskarten überreicht.

© Dirk Schnack

In Schleswig-Holstein wurde die bürokratische Entlastung verordnet: Die Rahmenvereinbarung im Norden ist als Erlass herausgegeben worden — die Kommunen konnten sich also nicht gegen diese stellen. Versuche der Kommunen, an den Konditionen der Einzelleistungsvergütung bei der Abrechnung zu rütteln, waren nicht erfolgreich. Die aus Steuermitteln finanzierten Leistungen für Flüchtlinge bleiben also vorerst unbudgetiert.