Bei der konservativen Herzinsuffizienztherapie gilt es, von liebgewonnenen Reflexen Abschied zu nehmen. Ständig auf die Ejektionsfraktion schielen ist genauso wenig zielführend wie pauschal Betablocker und ACE-Hemmer zu verschreiben.

Kleine Ejektionsfraktion (EF) gleich große Gefahr: Das ist immer noch tief im Kardiologenherz verankert. Doch damit könne man grob falsch liegen, sagte Prof. Dr. Jürgen Sindermann von der Kardiologie am Universitätsklinikum Münster. Er machte das an zwei Patienten fest, von denen einer eine EF von 20% bei sehr großem und der andere eine EF von 40% bei hypertrophem, kleinem Ventrikel aufweist. Hier stehe der Patient mit der besseren EF hämodynamisch unter Umständen deutlich schlechter da, weil er wegen des kleinen Schlagvolumens ein viel geringeres Herzzeitvolumen erreicht.

Für die Prognose ist die EF nicht der entscheidende Faktor

„Wir müssen die Herzinsuffizienz stärker aus Sicht der hämodynamischen Parameter denken“, forderte Sindermann. „Wir müssen wegkommen von der reinen EF-Fixiertheit.“ Dass die EF nicht der alleinentscheidende Parameter ist, zeigen auch Daten zur Krankenhausinanspruchnahme. Hier schneiden Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) und solche mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) hinsichtlich Krankenhaussterblichkeit und medizinischen Versorgungsbedarf in vielen Studien ähnlich ab. Auch bei der Sterblichkeit gibt es nur geringe Unterschiede.

Neben dem „EF-Reflex“ gelte es auch den „ACE-Hemmer-plus-Betablocker“-Reflex zu bei der Herzinsuffizienz zu überwinden, so Sindermann. Denn die EF spiele zwar nur eine geringe Rolle für das Gesamt-Outcome, sei aber wichtig im Hinblick auf die Therapieauswahl. Der therapeutische Vierklang aus in der ESC-Leitlinie mit Klasse-I-Empfehlung versehenen ACE-Hemmer/ Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Betablockern, Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA) und SGLT2-Hemmern gelte nur für die HFrEF.

Bei der HFpEF erhalten nur SGLT2-Hemmer und Diuretika eine Klasse-I-Empfehlung. Und auch im mittleren EF-Bereich von 41-49% (HFmrEF) gilt die Klasse I-Empfehlung nur für diese beiden Substanzgruppen. ACE-Hemmer und Betablocker seien nicht pauschal verboten, so Sindermann, aber sie bräuchten einen anderen Grund als die Herzinsuffizienz. Hochdruckpatienten beispielsweise könnten ACE-Hemmer und Vorhofflimmerpatienten Betablocker auch bei HFpEF erhalten, sofern sie die Medikamente vertragen und hinsichtlich der Grunderkrankung davon profitieren.

Schnittstelle zwischen Krankenhaus und Praxen optimieren

Eindringlich plädierte Sindermann für eine bessere Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten, insbesondere Hausärzten. So müsse an einen Klinikaufenthalt wegen Dekompensation möglichst lückenlos die ambulante Versorgung anschließen, um die prognoseverbessernde Therapie nicht zu verzögern. In Münster arbeitet man hier mit Heart Failure Nurses, die in der Übergangszeit unterstützend bereitstehen. Unnötige Verzögerungen gebe es oft auch später im Erkrankungsverlauf, dann, wenn über ein linksventrikuläres Unterstützungssystem nachgedacht werden müsse. Hier dürfe mit der Patientenvorstellung nicht gewartet werden, bis schon Endorganschäden vorlägen.

Herzmedizin 2024, 17.-19. Februar, Hamburg. Session: Wissenschaftliche Sitzung des Jungen Forum: Therapie der terminalen Herzinsuffizienz. Jürgen Sindermann: “Physiologie und konservative Therapie der Herzinsuffizienz”