In den aktuellen Leitlinien für die Behandlung von Dyslipidämien wurden die Therapiezielwerte für LDL-Cholesterin (LDL-C) unter Berücksichtigung des entsprechenden kardiovaskulären Risikoprofils abgesenkt [1]. Dies hat zur Folge, dass die Zielwerte durch die etablierten lipidsenkenden Therapiemaßnahmen teils nicht mehr erreicht werden können [2]. Der primäre Einsatz von Statinen wird dank der eindeutigen Studienlage in Leitlinien zur kardiovaskulären Primär- und Sekundärprävention empfohlen [1]. Eine therapeutische Herausforderung besteht bei Patienten, die bei erhöhtem kardiovaskulären Risikoprofil mit bestehenden kardiovaskulären Affektionen zusätzlich eine Statinunverträglichkeit haben [3]. Eine allgemein akzeptierte Definition von Statinunverträglichkeit liegt bisher nicht vor. Typischerweise wird über muskelkaterartige Beschwerden in Oberarmen und/oder Oberschenkeln berichtet, die nach Absetzen der Statine meist wieder vollständig verschwinden [4].

Kardiovaskuläre Anamnese

Eine 55-jährige Patientin wurde vom Hausarzt vorgestellt, da aufgrund der Todesursachen beider Eltern Bedenken bestanden, dass auch bei ihr ein hohes kardiovaskuläres Risiko vorliegen könnte. Unterstützt wurde diese Annahme durch Laboruntersuchungen bei der Patientin, die bereits über mehrere Jahre hinweg hohe LDL-C-Konzentrationen dokumentierten. Aufgrund des hohen Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse waren mehrere Therapieversuche mit Statinen durchgeführt worden, die von der Patientin aber nicht vertragen wurden.

Die soweit erinnerlichen Kinderkrankheiten waren komplikationslos verlaufen. Bei der Erstvorstellung in unserer Praxis im Jahr 2017 hatte die Patientin einen BMI von 28,38 kg/m2 und einen Blutdruck im Normbereich (125/80 mmHg).

Nach Angaben der Patientin war die Anamnese aus kardiovaskulärer Sicht bisher stets ohne Befund gewesen.

Familienanamnese

Der Vater starb mit 60 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes, eine Fettstoffwechselstörung ist nicht bekannt. Die Mutter verstarb mit 66 Jahren an Organversagen mit ungeklärter Ursache. Sie hatte wohl einen Diabetes und eine Fettstoffwechselstörung, mehr ist aber nicht bekannt. Der 48 Jahre alte Bruder sei gesund. Die beiden erwachsenen Kinder der Patientin haben erhöhte LDL-C- und Lp(a)-Konzentrationen, erhalten aber keine lipidsenkende Therapie.

Untersuchungsbefunde (2018)

Echokardiogramm: Bis auf einen Mitralklappenprolaps und leichte -insuffizienz unauffällig.

Belastungs-EKG: Unauffällig.

Koronar-CT: 4-fach erhöhte koronare Kalklast mit einem Kalziumvolumenindex von 102 mm3 bei altersentsprechenden Referenzwerten von 26 mm3. Zwei konfluierende Sklerosierungen im proximalen RIVA-Segment sowie punktuelle Sklerosierungen mit möglichem Gefäßabbruch im Bereich der mittleren RCx.

Kardiales MRT in Ruhe und unter Adenosin-Stressbelastung: Bis auf lokale fibrotische Mikrozirkulationsstörungen keine infarkttypischen Narben.

Abdomen-Ultraschall: In den sonografisch einsehbaren Bereichen konnten keine pathologischen Befunde erhoben werden.

Aa. vertebralis- und carotis-Ultraschall mit Doppler- und farbkodierte Duplexsonografie: Deutliche Verkalkungen in beiden Bulbusbereichen von re. < 20 % und li. < 20 % bei nicht mehr altersentsprechenden IMD insbesondere in beiden Aa. carotides communes > 0,7 mm. Vertebralarterien beidseitig unauffällig.

Weitere kardiologische Folgevorstellungen lehnte die Patientin aufgrund der aktuellen Infektionssituation mit dem SARS-CoV-2-Virus ab. Erst im Jahr 2020 erfolgte eine weitere Aa. vertebralis- und carotis-Ultraschall mit Doppler- und farbkodierte Duplexsonografie, die weiterhin deutliche Verkalkungen in beiden Bulbusbereichen von nun re. 25-30 % und li. von ca. 25 % bei nicht mehr altersentsprechenden IMD insbesondere in beiden Aa. carotides communes bis > 0,9 mm ergab. Vertebralarterien beidseitig weiterhin unauffällig, Nachweis eines leichten Progresses.

Lipidanamnese

Seit 1988 ist eine ausgeprägte Hypercholesterinämie mit einem LDL-C von > 250 mg/dl (6,42 mmol/l) bekannt. Therapien mit verschiedenen Statinen (Pravastatin, Simvastatin, Fluvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin), meist in niedrigen Dosen, mussten wegen Unverträglichkeit abgebrochen werden. Nach Exposition und Reexpositionen traten wiederholt erhebliche Muskelbeschwerden auf, die nach Absetzen des jeweiligen Medikaments wieder vergingen. Auch Cholestyramin wurde nicht vertragen - hier standen erhebliche Darmbeschwerden im Vordergrund.

In unserer Lipidambulanz wurde initial im Jahr 2017 neben einem erhöhten LDL-C- von 311 mg/dl (8,0 mmol/l) auch ein erhöhter Lp(a)-Wert von 198 nmol/l gemessen (Tab. 1). Eine genetische Diagnostik lehnte die Patientin ab.

Tab. 1 : Behandlungsübersicht

Unter Berücksichtigung der Anamnesen, Vorbefunde und eigenen Befunde liegt bei der Patientin nach den ESC/EAS-Leitlinien ein hohes kardiovaskuläres Risiko vor [1]. Daher sollte mit der lipidsenkenden Therapie ein LDL-C von < 70mg/dl (1,8 mmol/l) angestrebt werden.

Im November 2017 leiteten wir eine lipidsenkende Therapie mit Fluvastatin 20 mg (1×/Tag) ein, die vertragen wurde. Angesichts des nun in Untersuchungen nachgewiesenen erhöhten kardiovaskulären Risikoprofils erweiterten wir im April 2018 die Medikation um Evolocumab 140 mg (alle 14 Tage s.c.).

Aufgrund des immer noch erhöhten LDL-C wurde im Juni 2018 von Fluvastatin auf eine niedrige Dosis Rosuvastatin 5 mg (1×/Tag) gewechselt. Die LDL-C-Absenkung war zwar gut, doch wurde Rosuvastatin nicht vertragen. Erneut traten Muskelbeschwerden auf, und Rosuvastatin musste im Dezember 2018 abgesetzt werden. Aufgrund der parallel erhöhten Triglyzeridkonzentrationen wurde statt eines Statins nun Fenofibrat in retardierter Form 250 mg (1×/Tag) in Kombination mit Evolocumab 140 mg (alle 14 Tage s.c.) gegeben. Diese Medikamentenkombination wurde gut vertragen. Allerdings war die Absenkung von Trigylzeriden und LDL-C eher mäßig (Tab. 1), der vorgegebene LDL-C-Zielwert wurde erneut nicht erreicht.

Mittlerweile wurde in den Ultraschalluntersuchungen ein Progress des Carotissystems gefunden, weshlab im November 2020 die lipidsenkende Therapie um eine Kombination aus Bempedoinsäure 180 mg + Ezetimib 10 mg (1×/ Tag) ergänzt wurde. Diese zusätzliche Gabe von Bempedoinsäure + Ezetimib zur bestehenden Medikation wird sehr gut vertragen und der LDL-C-Zielwert mehr als erreicht.

Fallbeurteilung

Aufgrund der Familienanamnese und den bereits initial erhöhten LDL-C-Werten muss bei der Patientin zumindest eine heterozygote Hypercholesterinämie mit moderater Hypertriglyzeridämie angenommen werden. Aufgrund der bestehenden kardiovaskulären Affektionen gab es Behandlungsbedarf. Unsere erneuten Statinexpositionsversuche schlugen jedoch wegen Ineffektivität und Nebenwirkungen fehl. Erst durch die Kombination von Fenofibrat + Evolocumab reduzierten sich die LDL-C-Werte mäßig, was aber unter Berücksichtigung der Lp(a)-Konzentration nicht ausreichte [5]. Zudem machte ein Progress im Carotissystem eine Intensivierung der lipidsenkenden Therapie notwendig. Das LDL-C-Therapieziel wurde schließlich mit der ergänzenden Kombination Bempedoinsäure + Ezetimib erreicht.

Fazit für die Praxis

  • Bei fraglicher Statinintoleranz sollte weiterhin ein Expositionsversuch unter engmaschiger klinischer und laborchemischer Kontrolle erfolgen.

  • Bei deutlich erhöhtem kardiovaskulären Risikoprofil sollte auch der Einsatz eines PSCK9-Inhibitors erwogen werden. Hier könnten Kombinationen aus sehr niedrigen Statindosen erfolgreich sein. Auch der Einsatz von Fibraten mit PCSK9-Inhibitoren ist bei bestimmten Patienten vielversprechend.

  • Bei Patienten mit deutlich erhöhtem LDL-C, z. B. bei einer Hypercholesterinämie heterozygoter Ausprägung und Statinintoleranz, kann eine medikamentöse Kombination bestehend aus einem PCSK9-Inhibitor mit Bempedoinsäure + Ezetimib den definierten LDL-C-Zielwert möglicherweise doch erreichen (nach ESC/EAS-Leitlinien risikoadjustiert).

  • Würde weiterhin ein kardiovaskulärer Progress trotz maximal ausgeschöpfter medikamentöser Therapie vorliegen, besteht die Indikation zur Lipoproteinapheresebehandlung [6].