Forschungsstandort Deutschland? Prof. Dr. Andreas Zeiher vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main und seit der DGK-Jahrestagung Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) sieht zumindest in Sachen translationaler Forschung in Deutschland weiterhin Nachholbedarf. Im Vergleich mit Großbritannien, Niederlanden oder der USA nehme Deutschland derzeit keine Spitzenposition ein.

Einer der Gründe ist für den DGK-Präsidenten eine zu schmale Förderlandschaft. Außerdem machten es restriktive Gesetze wie die Änderung des §137h SGB V zur Bewertung von Medizinprodukten hoher Risikoklasse der deutschen Forschung unnötig schwer: „Wir beobachten, dass dadurch ein Standortnachteil, auch innerhalb der EU, entstanden ist.“

Neue Therapeutika nehmen Ribonukleinsäuren ins Visier

Zu den international heißen Themen in der translationalen Forschung in der Kardiologie zählt Zeiher derzeit vor allem therapeutische Ansätze, die auf Ribonukleinsäuren (RNA) zielen. Weit fortgeschritten seien Behandlungen mit kleinen, interferierenden RNA-Molekülen (siRNA), die sich gegen mRNA-Transkripte richten und die auf diese Weise die Herstellung von Eiweißstoffen gezielt und vor allem über sehr lange Zeiträume blockieren können.

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Begehrte Ware: Die ESC-Pocket-Leitlinien am Stand der DGK.

© DGK / Th. Hauss

In der Kardiologie richtet sich das Interesse vor allem auf cholesterinsenkende siRNA-Therapien gegen PCSK9 sowie auf siRNA-Moleküle, die die Herstellung von Apolipoprotein a blockieren. Durch die zweimalige Applikation von gegen PCSK9-mRNA gerichtete siRNA konnte das LDL-Cholesterin in Phase-II-Studien über ein Jahr um 60 bis 80 Prozent reduziert werden. Bei Apolipoprotein a war der Effekt ähnlich ausgeprägt.

Bei beiden Therapieansätzen gibt es derzeit aber noch keine Studien mit klinischen Endpunkten, doch diese Phase-III-Studien laufen: „Zwei bis drei Jahren werden wir uns noch gedulden müssen“, so Zeiher.

Ebenfalls im RNA-Kosmos angesiedelt sind Therapien, die darauf abzielen, Mikro-RNAs (miRNA) zu beeinflussen. Anders als siRNA sind miRNA nicht spezifisch gegen einzelne Gene gerichtet, sondern sie wirken polygenetisch und gestatten es, ganze genetische Netzwerke zu modulieren. Dies sei gerade für kardiovaskuläre Erkrankungen günstig, so Zeiher. Denn diese seien oft polygenetisch und nicht nur durch einzelne Gendefekte bedingt.

Die Entwicklung von miRNA-Therapien ist noch nicht so weit fortgeschritten wie die Entwicklung von siRNA-Therapien. Kürzlich wurde eine First-in-man-Studie mit dem Molekül miR-92a abgeschlossen, das im Bereich der kardiovaskulären Regeneration Einsatz finden könnte. MiR-92a stimuliert die Gefäßneubildung, sodass das Molekül bei akutem Koronarsyndrom oder chronischer KHK zum Einsatz kommen könnte. Im Bereich Wundheilung läuft in den USA bereits eine Phase-II-Studie. Andere miRNAs greifen in Zelltod, Proliferation der Kardiomyozyten oder kardiales Remodelling ein.

Präventive Entzündungshemmer: Kommen sie oder kommen sie nicht?

Wissenschaftlich heiß bleibt Zeiher zufolge auch die spezifische antiinflammatorische Therapie. Hier wurde der prinzipielle Wirkbeweis in der CANTOS-Studie erbracht, in der der Interleukin-1β-Blocker Canakinumab bei Myokardinfarktpatienten mit hohem CRP klinische Endpunkte reduzierte. Diese Therapie werde vom Hersteller in der Kardiologie derzeit aber nicht weiter vorangetrieben, so Zeiher. Vom Therapieprinzip an sich bleibt der Kardiologe aber überzeugt und verwies auf laufende Studien mit anderen spezifisch antiinflammatorischen Medikamenten, deren Ergebnisse noch ausstehen.