Bei Patienten mit bevorstehender Chemotherapie sollte immer eine Evaluation des Ausgangsstatus der linksventrikulären myokardialen Funktion erhoben werden“, so Prof. Andreas Hagendorff, kardiologische Universitätsklinik in Leipzig; denn viele der heute üblichen Onkologika sind kardiotoxisch. Wichtig sei die frühe Detektion dieser Komplikation und dies erfordere Verlaufskontrollen. „Beim onkologischen Patienten, der medikamentös behandelt wird, gehört der Kardiologe mit ins Boot.“

Zwei Formen von Kardiotoxizität

Bei der Chemotherapie-induzierten Kardiotoxizität unterscheidet man Typ 1 und Typ 2. Beim Typ 1 werden strukturelle Schäden an Kardiomyozyten induziert und diese müssen als irreversibel angesehen werden. „Die Leitsubstanz einer solchen Schädigung ist Doxorubicin aus der Gruppe der Anthracycline“, so Hagendorff. Diese Substanz wird quasi bei fast allen Tumoren eingesetzt.

Der Typ 2 ist durch das Fehlen struktureller Veränderungen am Herzmuskel charakterisiert, sodass das Therapieende normalerweise zu einer vollständigen Erholung führt. Leitsubstanz für diese Art der Schädigung ist der monoklonale Antikörper Trastuzumab. Die wesentlichen pathophysiologischen Mechanismen bei diesem Medikament sind Einflüsse auf die HER-2/ErbB2-regulierten Signalwege innerhalb der Kardiomyozyten. „Doch es gibt viele weitere Substanzen mit kardiotoxischer Wirkung“, so Hagendorff. Dazu gehören Cyclophosphamid, Clofarabin, Fluorouracil, Vincristin, Interferon-α-2b, Sunitinib und Sorafenib.

Vielfältige Risikofaktoren

Die Inzidenz einer Kardiotoxizität ist von Substanz zu Substanz sehr unterschiedlich. Während sie bei Anthracyclinen, Cyclophosphamid und Trastuzumab bei ca. 25 % liegt, sind bei den anderen Medikamenten deutlich weniger Patienten betroffen.

Das Risiko für die Kardiotoxizität wird wesentlich von Risikofaktoren bestimmt. Dazu gehören das weibliche Geschlecht, ein Alter über 65 Jahren oder unter 18 Jahren, chronische Niereninsuffizienz und vorbestehende kardiale Erkrankungen einschließlich einer Hypertonie. „Das Risiko korreliert mit der Dosis der Substanz“, so Hagendorff. Kombinationschemotherapien seien gefährlicher als Monotherapien. Auch eine frühere oder begleitende Thoraxbestrahlung erhöhe das Risiko.

Neue Echoparameter

Um die Kardiotoxizität frühzeitig erfassen zu können, sollte der Tumorpatient kardiologisch kontrolliert werden. Und je schlechter die myokardiale Funktion vor Therapiebeginn ist, umso genauer müssen die Funktionsanalysen bei den Kontrollen sein. Dazu gehören neben der Klinik ein EKG mit Bestimmung des QTc-Intervalls und die Bestimmung von NT-proBNP.

„Das wichtigste Verfahren ist aber die Echokardiografie“, so Hagendorff. Die alleinige Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion sei heute bei solchen Patienten nicht mehr „state of the art“. Zu einer modernen echokardiografischen Verlaufskontrolle gehöre das „Deformations-Imaging“, also eine Deformationsanalyse aller Komponenten, nämlich die Erfassung von Veränderungen des longitudinalen und zirkumferenziellen Strain.

Ein neuer Echoparameter, der sich auch für das Monitoring im Rahmen der Frühdetektion von myokardialen Schäden bei einer Chemotherapie eignet, ist die Bestimmung des „Workload“. Dabei wird anhand von Echoparametern eine Druck-Volumen-Kurve für den linken Ventrikel erstellt.

Herzschaden durch Chemotherapie — und dann?

Die Zeitintervalle des echokardiografischen Monitorings orientieren sich an der Kardiotoxizität der Substanzen und dem individuellen Risikoprofil des Patienten. „Bei Nachweis einer Chemotherapie-induzierten Schädigung ist neben der Dosisreduktion oder dem Absetzen der Chemotherapie so früh wie möglich eine maximierte Herzinsuffizienz-Therapie eizuleiten“, so Hagendorff. Doch eine solche sei nicht immer wirksam. Sogar bei einer Anthracyclin-Therapie gebe es Responder und Non-Responder. Im Einzelfall müsse die prognostische Relevanz der beiden Erkrankungen — kardial vs. onkologisch — gegeneinander abgewogen werden, was nicht immer leicht sei.

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Frauen sind besonders gefährdet, durch eine Chemotherpie einen Herzschaden zu entwickeln.

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