Die optimale Dauer einer dualen Antiplättchen-Therapie (DAPT) mit ASS und einem Thienopyridin wie Clopidogrel nach perkutaner Koronarintervention (PCI) ist unklar. In der großen DAPT-Studie wurde versucht, eine Klärung herbeizuführen, indem eine dreijährige mit einer einjährigen Behandlungsdauer verglichen wurde.

In der Studie sind 11.648 PCI-Patienten, die alle bereits 12 Monate lang eine DAPT erhalten hatten, zwei Gruppen zugeteilt worden: In der einen wurde die duale Therapie für weitere zwei Jahre fortgesetzt, in der anderen Clopidogrel oder Prasugrel absetzt und allein mit ASS weiter behandelt. Ergebnis: Die verlängerte duale Plättchenhemmung reduzierte signifikant die Inzidenz von Stentthrombosen und Herzinfarkten, allerdings auf Kosten einer erhöhten Inzidenz von schwerwiegenden Blutungen.

Score als Entscheidungshilfe

Eine uneingeschränkte Empfehlung, die DAPT bei allen PCI-Patienten über die Dauer von zwölf Monaten hinaus zu verlängern, lässt sich auf der Grundlage dieser Daten nicht geben. Die Entscheidung kann nur individuell unter Abwägung des Risikos für ischämische Ereignisse sowie des Blutungsrisikos getroffen werden, lautet die Konsequenz daraus. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Auf der Grundlage der DAPT-Studiendaten haben die Autoren jetzt eine Entscheidungshilfe in Form eines klinischen Risikoscores (DAPT-Score) entwickelt. Dazu sind unter Einbeziehung von 37 klinischen Variablen durch lineare Regression zwei Prädiktionsmodelle entworfen worden, um einerseits das Risiko für ischämische Ereignisse, andererseits das Risiko für moderate bis schwere Blutungen vorauszusagen. Ins Verhältnis gesetzt soll sich damit der therapeutische Nettoeffekt (net treatment effect: Reduktion ischämischer Ereignisse abzüglich zu erwartender Blutungen) der verlängerten dualen Plättchenhemmung für einen Patienten individuell voraussagen lassen.

Als wichtigster Prädiktor für das Blutungsrisiko erwies sich das Alter, berichtete Dr. Robert Yeh, Harvard Medical School in Boston, der den DAPT-Score beim AHA vorgestellte. Dieser Risikoprädiktor ist in Form von drei Altersklassen (<65 Jahre, 65–75 Jahre, >75 Jahre) im Score berücksichtigt worden.

Andere Faktoren wie Hypertonie, PAVK und Niereninsuffizienz waren gleichermaßen prädiktiv sowohl für das Ischämie- und Blutungsrisiko, sie gingen mangels diskriminierender Aussagekraft daher nicht in den Score ein. Dagegen ließen sich anhand von Prädiktoren wie vorangegangenem Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Rauchen, Diabetes oder kleinem Stentdurchmesser Patienten identifizieren, bei denen der Nutzen klar das Blutungsrisiko überwog. Diese Prädiktoren wurden mit Punkten im Minus- und Plusbereich bewertet, so etwa hohes Alter (>75 Jahre) mit -2 (starker Blutungsprädiktor), Herzinsuffizienz mit +2 (starker Prädiktor für Reduktion ischämischer Ereignisse).

Genaue Identifizierung möglich?

Wie Yeh berichtete, konnten anhand des Scores ziemlich genau diejenigen Patienten identifiziert werden, die den größten zu erwartenden Nutzen von einer verlängerten dualen Plättchenhemmung hatten, und ebenso jene, bei denen unter dieser Therapie das Blutungsrisiko überwog. So mussten bei einem DAPT-Score <2 nur 64 Patienten behandelt werden, um eine Blutung zu provozieren, dagegen 153, um ein ischämisches Ereignis zu verhindern. Diese ungünstige Verhältnis signalisiert, dass auf eine verlängerte duale Plättchenhemmung besser verzichtet werden sollte.

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Umgekehrt verhielt sich die Sache bei einem Score >2. Dann musste man nur 34 Patienten länger als 12 Monate behandeln, um ein ischämisches Ereignis zu verhindern, dagegen 272, um ein Blutungsereignis zu provozieren. So überwiegt klar der Nutzen dieser Therapie.

Score hat Limitierungen

Der DAPT-Score sei die erste evidenzbasierte Entscheidungshilfe, die gleichzeitig individualisierte Auskunft über Risiken und Nutzen einer plättchenhemmenden Therapie bei PCI-Patienten gibt, so Yeh. Ein webbasierter DAPT-Score-Kalkulator soll demnächst zur Verfügung stehen.

Jedoch hat der Score auch Limitierungen. So sind die Prädiktionsmodelle nicht evaluiert für Patienten, die etwa mit Ticagrelor behandelt werden. Zudem gilt er nur für PCI-Patienten, die bereits ein Jahr lang eine DAPT ohne Blutungskomplikationen erhalten haben. Das könnte seine Anwendung in Europa beschränken. Denn hier geht der Trend eher dahin, die Dauer der duale Plättchenhemmung nach Implantation von Drug-elutings Stents (DES) auf sechs oder drei Monate oder gar nur einen Monat zu verkürzen statt zu verlängern.

Sollte sich jedoch in weiteren Studien erweisen, dass der DAPT-Score tatsächlich akkurat die klaren Nutznießer einer prolongierten dualen Plättchenhemmung unter PCI-Patienten identifiziert, müssten wohl die europäischen Kardiologen umdenken.