Mehr BRCA-Testungen auch unabhängig vom familiären Risiko und Deeskalationstrategien bei der Strahlentherapie - nur 2 der neuen Empfehlungen beim Mammakarzinom, die die AGO-Kommission Mamma auf dem diesjährigen State-of-the-Art-Meeting vorstellte.

Auch in diesem Jahr stellte die AGO(Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie)-Kommission Mamma neue Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms auf Basis der im vergangenen Jahr publizierten Studien vor und gab Raum für Diskussion [https://go.sn.pub/flVvwA].

Testen, testen, testen

Neu ist insbesondere die Empfehlungen zur Testung auf BRCA-Keimbahnmutationen unabhängig von der familiären Risikokonstellation, hob Volkmar Müller, Hamburg, stellvertretender Sprecher der AGO-Kommission Mamma, hervor. Michael Untch, Berlin, und Oleg Gluz, Mönchengladbach, die das Kapitel bearbeitet hatten, betonten, dass alle Erkrankten mit Indikation für eine gezielte Therapie entsprechend getestet werden müssten - dies werde in der AGO-Empfehlung durch eine Doppelplus-Empfehlung (entspricht einem „Muss“) hervorgehoben. Dabei soll die BRCA1/2-Testung unabhängig von der Familienanamnese bei allen Frauen unter 65 Jahren mit einem neu diagnostizierten Mammakarzinom und Frauen über 65 Jahren bei speziellen Risikosituationen angeboten werden. Bei Indikationsstellung für einen PARP-Inhibitor - egal in welchem Setting - könne die BRCA1/2-Keimbahntestung ohne budgetäre Nachteile über die EBM-Ziffer 11601 veranlasst werden, so Untch. Das gelte auch für weitere Risikogene, sobald eine therapeutische Relevanz vorliegt.

Auch in einer gemeinsamen Guideline der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und der Society of Surgical Oncology (SSO) werden Empfehlungen zur Keimbahnmutationstestung beim Mammakarzinom gegeben [Bedrosian I et al. J Clin Oncol. 2024;42(5):584-604]. Diese Leitlinie wurde jedoch in der AGO widersprüchlich diskutiert, weil laut Gluz die Signifikanz zahlreicher dort aufgeführter Marker nicht eindeutig geklärt ist.

Systemtherapien - Adjustierung der Empfehlungen

Bei der Systemtherapie wurden in erster Linie Adjustierungen der bestehenden Empfehlungen vorgenommen, erläuterte Müller. Essenziell sei die postneoadjuvante Therapie bei fehlendem pathologischem Komplettansprechen, wie es etwa die Langzeitdaten der Phase-III-Studie KATHERINE beim HER2-positiven Mammakarzinom untermauern [Loibl G et al. SABCS. 2023;Abstr GS03-12]. Die AGO spricht nun eine Doppelplus-Empfehlung für die postneoadjuvante Gabe von des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Trastuzumab-Emtansin in dieser Situation aus.

In den aktuellen AGO-Empfehlungen wurden auch neue Zulassungserweiterungen berücksichtigt. Neu hinzugekommen ist etwa der orale SERD („selective estrogen receptor degrader“) Elacestrant beim HR(Hormonrezeptor)-positiven/HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom. Eingesetzt werden soll er (Doppelplus-Empfehlung) bei Nachweis einer aktivierenden ESR1-Mutation. Basierend auf den Daten der Phase-III-Studie CAPItello-291 [Turner N et al. N Engl J Med. 2023;388(22):2058-70] wird nun bei PIK3CA/AKT1/PTEN-Alterationen der Einsatz des AKT-Inhibitors Capivasertib empfohlen - aufgrund der noch ausstehenden Zulassung jedoch nur mit einem einfachen Plus (entspricht einer „Kann“-Empfehlung).

Neues bei der Strahlentherapie

Wesentlich sind auch die Änderungen in der Strahlentherapie, wie David Krug, Kiel, vorstellte. Hier steht die Deeskalation im Vordergrund. Nach einer brusterhaltenden Operation kann bei einer Lebenserwartung < 10 Jahre und pT1, pN0, R0, ER(Östrogenrezeptor)-positivem/PR(Progesteronrezeptor)-positivem, HER2-negativem Tumor und endokriner adjuvanter Therapie unter Inkaufnahme eines erhöhten Risikos eines intramammären Rezidivs ohne Überlebensnachteil nach individueller Beratung auf die Radiotherapie verzichtet werden. Diese Empfehlung wurde von der AGO mit einem Plus bewertet. Die Bestrahlung der lokoregionären Lymphabflussregionen wird nur bei ≥ 4 befallenen Lymphknoten mit Doppelplus empfohlen. Die Bestrahlung der Mammaria-interna-Lymphknoten wird bei linksseitigem Tumorsitz und erhöhtem kardialem Risiko oder simultaner Gabe von HER2-gerichteter Therapie nicht empfohlen.

Auch bezüglich der operativen Therapie im Kontext der Strahlentherapie gab es einige Anpassungen. Operative Therapieentscheidungen sollten im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzeptes getroffen werden, insbesondere sollte der Verzicht auf diagnostische Maßnahmen (z. B. SLNE) im Rahmen einer präoperativen, interdisziplinären Tumorkonferenz beschlossen werden, empfiehlt die AGO (Doppelplus).

Bericht vom State-of-the-Art-Meeting der AGO-Kommission Mamma, das am 2. März 2024 in Frankfurt/Main und digital stattfand.