Cannabishaltige Arzneimittel werden mittlerweile bei verschiedenen tumorassoziierten Beschwerden und therapiebedingten Nebenwirkungen eingesetzt. Hinsichtlich der Evidenz gibt es bei den meisten Indikationen aber weiterhin Aufholbedarf.

In der Onkologie gibt es mit dem vollsynthetischen Tetrahydrocannabinol (THC)-Derivat Nabilon bereits ein zugelassenes cannabishaltiges Arzneimittel. Eingesetzt werden könne es zur Behandlung chemotherapieinduzierter Emesis und Nausea bei Tumorpatienten, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen, erklärte der Jan Witte, Charité Universitätsmedizin Berlin, auf dem 4. Medicinal Cannabis Congress. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass Nabilon bei Tumorkachexie, bei der es ansonsten kaum Alternativen gibt, eine Option sein könnte [Turcott JG et al. Support Care Cancer. 2018;26(9): 3029-38].

Cannabishaltige Arzneimittel werden heute in Form von getrockneten Cannabisblüten mit unterschiedlichen THC- und Cannabidiol(CBD)-Gehalten sowie als Blütenextrakte bei verschiedenen Schmerzarten eingesetzt. Auch bei Patienten mit einer Tumorerkrankung, die von chronischen Schmerzen betroffen sind, werden sie derzeit in verschiedenen Studien geprüft. Die bisherige Datenlage ist laut Witte aber eher spärlich. Ein im Jahr 2017 publiziertes systematisches Review mit Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass es auf der Basis weniger, älterer Untersuchungen - zum Teil stammten sie aus den 1970er-Jahren - eine mittlere bis hohe Evidenz für die Wirksamkeit von cannabisbasierten Zubereitungen zur Behandlung von Tumorschmerzen gibt. Drei in die Metaanalyse eingeschlossene Untersuchungen hatten eine signifikante Überlegenheit von Cannabinoiden gegenüber Placebo gezeigt [Aviram J et al. Pain Physician. 2017; 20:E755-96].

Empfehlungen der Europäischen Schmerzgesellschaft

Im Jahr 2018 hat die European Pain Federation (EFIC) ein Positionspapier zum Einsatz von cannabisbasierten Arzneien und Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen veröffentlicht [Häuser W et al. Eur J Pain. 2018; 22(9):1547-64]. Darin findet sich die Empfehlung, dass Nabiximols bei Tumorschmerz als Add-on erwogen werden kann, wenn andere etablierte Analgetika, einschließlich Opioide, unzureichend wirksam sind.

In ihrem Positionspapier nennt die EFIC vier randomisiert-kontrollierte Studien, die in den letzten zehn Jahren publiziert worden waren. Darin wurde das oromukosale Nabiximols-Spray als Add-on-Therapie zu konventionellen Wirkstoffen mit Placebo zur Behandlung von Tumorschmerz verglichen. Bei den insgesamt 1.130 Patienten lag die Behandlungsdauer zwischen zwei und neun Wochen. Alle vier Studien hatten den primären Endpunkt, eine mindestens 30 %ige Schmerzreduktion, verfehlt.

Auch geringe Schmerzreduktion für Patienten bedeutsam

Witte gab allerdings zu bedenken, dass selbst eine Schmerzreduktion von 5 % oder 10 % für den einzelnen Patienten von Bedeutung sein könnte. Persönlich sieht Witte ein großes Potenzial für CBD bei Mukositis. CBD sei für seine antiinflammatorischen Eigenschaften bekannt und könne deshalb bei dieser schwer zu behandelnden Nebenwirkung einiger Chemotherapeutika eine Option sein. Randomisierte klinische Studien gebe es zu dieser Thematik derzeit aber noch nicht.

Bericht vom 4. Medicinal Cannabis Congress, der am 1. und 2. Juni 2023 in Berlin stattfand.