Die medizinische und speziell die onkologische Versorgung wird in den kommenden Jahrzehnten vor großen Herausforderungen stehen. Aufgrund der zunehmenden Inzidenz und Prävalenz von Tumorerkrankungen wird es notwendig sein, eine wachsende Zahl von Erkrankten zu versorgen. Inwieweit dann eine ausreichende Anzahl von Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung steht, ist jedoch fraglich. Denn auch im ärztlichen Bereich zeigt sich zunehmend der gesellschaftliche Trend zu Teilzeitarbeit und einer geringeren Bereitschaft zu Überstunden. Auch das steigende Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte gefährdet die Versorgung, insofern ein erheblicher Teil von ihnen in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, sollte die Förderung des ärztlichen Nachwuchses unter Berücksichtigung der Werte, Vorstellungen und Bedürfnisse der jüngeren Generation ausgebaut werden. Weitere Maßnahmen zur Behebung des Mangels an qualifizierten Ärztinnen und Ärzten, wären auf das Ziel auszurichten, die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu erhöhen. Denn obwohl sich der Anteil von Frauen unter den Medizinstudierenden in Deutschland seit Ende der 1990er-Jahre von etwas mehr als 50 auf inzwischen 64 % erhöht hat und auch die Zahl von Ärztinnen stetig gewachsen ist, sind Frauenkarrieren in Spitzenpositionen immer noch eher selten. Daher ist es eine zentrale Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Karrieremöglichkeiten im Fachgebiet Hämatologie und Onkologie eröffnen.

Welche karriereförderlichen und -hinderlichen Faktoren lassen sich hierbei identifizieren? Wie steht es um Chancengleichheit in der Hämatologie und Onkologie? Eine im Jahr 2021 vom Verein zur Förderung der Weiterbildung in der Hämatologie und Onkologie e. V. (WBHO) geförderte und unter den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) und der beiden Schweizerischen Gesellschaften für Medizinische Onkologie (SGMO) und Hämatologie (SGH) durchgeführte Umfrage hatte zum Ziel, diese Fragen zu beantworten.

Wie sich Chancengleichheit fördern lässt

Die Befragungsergebnisse legen nahe, die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf zu verbessern. Eine Option wäre die Einführung familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle, die auch mit dem Krankenhauswesen vereinbar sind. Um das traditionelle Rollenmodell - Männer als Hauptverdiener und Frauen als Zuverdienerinnen - aufzubrechen, könnte das in Deutschland eingeführte Modell der Familienarbeitszeit genutzt werden (BMFSJ), das es Partnern ermöglicht, sich Erwerbs- und Familienarbeit paritätisch zu teilen. Auch wäre eine Optimierung des Teilzeitangebots anzustreben, insbesondere die Facharztausbildung in Teilzeit, die möglichst in einem überschaubaren Zeitrahmen erfolgen sollte.

Darüber hinaus sollten Frauen ausdrücklich ermutigt werden, Positionen auf höheren Hierarchieebenen anzustreben. Hierzu zählen auch Angebote für Führungspositionen in Teilzeit. Damit Medizinerinnen und Mediziner ihre wissenschaftliche Karriere vorantreiben können, bieten sich strukturierte Qualifizierungsprogramme an. Schließlich könnte eine Bedarfsermittlung zur Kinderbetreuung in den Kliniken dafür sorgen, dass bedarfsgerechte Angebote durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollten regelmäßig Mentoring-Programme angeboten und Personalgespräche zur langfristigen Karriereplanung verpflichtend durchgeführt werden.

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© Colin Derks Fotografie

Dr. phil. Marianne Giesler (links), Freiburg, im Auftrag der DGHO, Prof. Dr. med. Diana Lüftner; Prof. Dr. med. Katja Weisel, 1. und 2. Vorsitzende des Arbeitskreises Frauen in der Hämatologie und Onkologie der DGHO