"If it's not safe, it's not care", diese Worte des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus zitierte Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit, im Rahmen des Vision Zero Summit im Juni diesen Jahres. Ihre provokante Frage: Was nutzen uns alle unsere Errungenschaften in der Forschung, wenn sie am Ende nicht zu einer sicheren Versorgung führen, weil Patientinnen und Patienten im Versorgungsprozess zu Schaden kommen oder gar sterben?

Im Rahmen ihrer Tätigkeit im Qualitätsmanagement und klinischen Risikomanagement am Universitätsklinikum Essen, fragt Hecker nach den Faktoren, die dazu beitragen können, mehr Sicherheit in die Prozesse der Patientenversorgung zu bringen. Immerhin kommt es internationalen Studien zufolge bei 5-15 % aller Chemotherapieapplikationen zu Medikationsfehlern, 60 % davon mit Schädigungspotenzial.

"Speak up"

Ganz im Sinne des WHO-Programms "Patients for Patients Safety (PFPS)" wurde daher am Universitätklinikum Essen eine Patientenbefragung durchgeführt, in der es um Patientenpartizipation und das Thema "Speak up" im Rahmen einer sicheren Patientenversorgung ging.

Im Rahmen der Umfrage zeigte sich, dass sich etwa 70 % der teilnehmenden Patientinnen und Patienten eine aktive Rolle im Verabreichungsprozess von Chemotherapien wünschten. Sie wollten gemeinsam mit dem medizinischen Personal prüfen, dass Medikament und Dosierung korrekt sind. Die Frage, ob sie Bedenken bei einer laufenden Verabreichung einer Chemotherapie gegenüber dem medizinischen Personal ansprechen würden, beantworteten etwa 60 % mit ja. Allerdings äußerten 11 %, dass es keinen Unterschied mache, ob sie sich äußerten oder nicht und 5 % gaben an, nein zu sagen, weil sie Angst vor der Reaktion des Personals hätten. Die übrigen sagten nein, weil sie auf die Kompetenz des Personals vertrauten. Insgesamt zeigten diese Ergebnisse, dass die Mehrheit der Befragten sich eine aktive Teilhabe im Verabreichungsprozess wünschten. Dabei sei "Speak up" ein wichtiges Instrument zur Förderung der Patientensicherheit, resümierte Rebecka Rochel, Essen, die diese Umfrage durchführte. Wie Timo Gottlieb, APN in der onkologischen Pflege am Westdeutschen Tumorzentrum, ergänzte, war die Umfrage Anlass, die Prozesse bei der Applikation der Tumortherapie dort genauer zu betrachten. Dabei wurden z. B. Therapiepläne im Hinblick auf patientengerechte Sprache und Verständlichkeit optimiert. Im Kommunikationsprozess wurde darauf geachtet, Patientinnen und Patienten aktiv einzubinden, sie darin zu bestärken, ihre Sicherheit mit im Blick zu haben, und wie wertvoll es für die Gesamtbehandlung ist, wenn sie ihre Fragen und Bedenken äußern. Auch er betonte, wie wichtig Patientenpatizipation und "Speak up" für die Krebskranken ist.

Wenn Wichtiges unausgesprochen bleibt

Nach Jana Jünger vom Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung in Heidelberg hat sich schon 2008 in einer Studie beim frühen Prostatakarzinom gezeigt, wie nachteilig sich eine schlechte Kommunikation auf das Therapieergebnis auswirken kann. In der Studie wurden bei etwa einem Drittel der Männer letztlich kontraindizierte Therapieentscheidungen getroffen, weil wichtige schambesetzte Fragen in der Anamnese nicht gestellt wurden - mit den entsprechenden negativen Folgen bezüglich der Lebensqualität der Erkrankten [Chen RC et al. Cancer. 2008;112(1): 61-8].

Nach dem Picker Report 2016 erhielten Patientinnen und Patienten zu 22 % unverständliche Antworten auf wichtige Fragen und zu 29 % unverständliche Erklärungen von Untersuchungsergebnissen. Und etwa 40 % der Kranken fühlten sich mit ihren Sorgen und Ängsten alleingelassen, erläuterte Jünger. Nach einer weiteren Studie wünschen sich 80 % der fortgeschritten Krebskranken, dass die Option auf eine intensive oder belastende Behandlung zu verzichten, möglichst früh angesprochen werde. Aber, so Jünger, nur bei 25 % der Teilnehmenden wurden auch tatsächlich die Prognose, die vorausschauende Planung und eine mögliche Therapiebegrenzung erörtert [Winkler EC et al. J Clin Oncol. 2014; https://doi.org/kqp3]. Dass eine 80-h-Weiterbildung in strukturierter interprofessioneller Kommunikation - wie im Nationalen Krebsplan empfohlen - umsetzbar ist, habe eine Studie in der Uroonkologie der Universitätsklinik Düsseldorf gezeigt [Jünger J et al. Urologie. 2023; 62(3):271-8].

Jüngers Fazit: "Wenn Wichtiges unausgesprochen bleibt, haben wir viele Wirkungen, die wir uns nicht wünschen und wird die Heilkraft von Beziehung und Worten nicht genutzt."