Zur fachgerechten (Risiko-)Aufklärung von Patienten gehört unter bestimmten Voraussetzungen auch, Alternativen zum beabsichtigten Vorgehen aufzuzeigen.

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Dr. Martin Sebastian Greiff

stellt in dieser Rubrik gerichtliche Entscheidungen aus dem Fachbereich Dermatologie vor.

Wann müssen Patienten über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt werden? Diese Frage stellte sich im folgenden Fall: Beim Kläger wurde im Jahr 2009 wegen einer als Karzinom diagnostizierten Hautveränderung am Penis von einem Dermatologen eine Teilresektion der Glans penis vorgenommen. Der Patient war über OP-Risiken aufgeklärt worden, über eine streitige Behandlungsalternative in Form einer Brachytherapie hingegen nicht, obwohl der Kläger danach gefragt hatte; diese Therapie war jedoch aus Sicht der Behandelnden fachlich nicht in Betracht gekommen. Wegen der mit der OP verbundenen Belastungen erhob der Patient später Klage.

So sah das Gericht den Fall

Das Landgericht (LG) Marburg hatte diese noch abgewiesen, da es keine Fehler bei der OP auf Basis der gutachterlichen Ausführungen bestätigt finden konnte und eine ausreichende Aufklärung sah, da eine Brachytherapie keine medizinisch "gleichwertige" Behandlungsalternative gewesen wäre. Vor allem auf die Aufklärungsrüge stützte der Kläger aber weiter seine Berufung, der das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt stattgab, auch wenn es die Höhe der Klageforderungen kürzte (Urt. v. 18.12.2014, Az. 15 U 20/14). Dass die OP von einem Dermatologen statt von einem Urologen vorgenommen wurde, war allerdings nicht zu beanstanden, da der Dermatologe aufgrund der Weiterbildungsordnung auf dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten ebenso zur gebietsbezogenen Tumortherapie befähigt sei. Dies folge bereits daraus, dass das männliche Genital inklusive Glans komplett mit Haut überzogen ist.

Das OLG rügte jedoch die Aufklärung im Ergebnis als unzureichend, obwohl die Frage der "Gleichwertigkeit" einer Bestrahlung im Vergleich zur OP auf Basis der gutachterlichen Aussagen medizinisch inkonsistent blieb. Anhand der Leitlinien der European Association of Urology (EAU), Stand 2004, war der Punkt zumindest nicht sicher zu klären. Der Sachverständige hatte für das beim Kläger anzunehmende Peniskarzinom Stadium T2 unter Bezug auf die Leitlinie ausgeführt, dass hier eine Strahlentherapie nur optional unter strengsten Kriterien bei einem Karzinom des Stadiums T1 G3 und Stadiums T2, das auf weniger als 50 % der Eichel begrenzt sei, vorgesehen war. Die Begrenzung sei beim Kläger mit 2 × 1 cm (ohne Beachtung der Tiefe) überschritten gewesen. Für das Stadium T1 G3 sowie T2 und höhere Stadien wurde hingegen nach damaliger Leitlinie die Teilamputation oder Totalamputation des Penis empfohlen, die Radiotherapie stattdessen nur für den Fall der Verweigerung einer Amputation erwähnt. Unter der 2009 gültigen Leitlinie hatte der Sachverständige hingegen die Radiotherapie durchaus als zumindest zu erwägende Alternative diskutiert. Ob die aktuellere Leitlinie zum Zeitpunkt der Behandlung aber schon hinreichend zum Standard geworden war, stellte sich als streitig dar.

Darauf kam es jedoch gar nicht mehr an, da schon unter Beachtung der Maßstäbe der Leitlinie von 2004 das OLG ein Aufklärungsdefizit annahm: Selbst wenn eine Bestrahlung keine medizinisch gleichwertige Möglichkeit gewesen sei, wäre sie zumindest bei Amputationsverweigerung eine Möglichkeit gewesen. Hierüber hätte der Kläger daher auch aufgeklärt werden müssen, nachdem er unstreitig schon vor der präoperativen Wundgrundbiopsie gefragt hatte, ob nicht eine Strahlentherapie möglich sei, falls es sich um Krebs handle. Dies war jedoch von den Ärzten - gemessen an obigen Maßstäben eben nun fehlerhaft und falsch - pauschal verneint worden.

Bedeutung für den Praxisalltag

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes, Patienten sind aber hierin einzubeziehen und über Alternativen aufzuklären, wenn es mehrere gleichwertige Therapiemöglichkeiten gibt, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen führen können und/oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2006, VI ZR 323/04).

Das vorliegende Urteil zeigt insofern, dass eine Aufklärung je nach Fallkonstellation nicht nur bei medizinisch gleichwertigen Alternativen, sondern in Ausnahmefällen sogar schon erforderlich werden kann, wenn die fragliche Alternative medizinisch nicht einmal Mittel der (ersten) Wahl ist; ein weiterer Grund, bei der Aufklärung zur Vermeidung forensischer Risiken äußerst sorgfältig vorzugehen.