Im Rahmen der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2023 wurden im Bereich der gastrointestinalen Onkologie Studiendaten präsentiert, welche Einfluss auf die täglichen Therapieentscheidungen haben.

Die Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie PROSPECT, in welche die interdisziplinäre Therapie des Rektumkarzinoms untersucht wurde, waren als Highlight im Rahmen der Plenary Session diskutiert worden. Diese Studie schloss Patienten mit lokalen Rektumkarzinomen mit niedrigen (cT3cN-) bzw. intermediären (cT2cN+, cT3cN+) Rezidivrisiko ein. Getestet wurde eine Radiochemotherapie (RCT; 50,4 Gy mit 5-Fluorouracil [5-FU]) gegen eine neoadjuvante Chemotherapie mit 6 Zyklen FOLFOX (Folinsäure, 5-FU, Oxaliplatin) jeweils vor geplanter totaler mesorektaler Exzision (TME). Der Interpretation der Daten ist voranzustellen, dass auch Patienten mit niedrigem Risiko (cT3N-) eingeschlossen wurden, die nach unserer deutschen S3-Leitlinie direkt einer primären Operation (bei genügendem Abstand zur mesorektalen Faszie) zugeführt werden sollten. Diese Patienten waren also in beiden PROSPECT-Studienarmen übertherapiert. Patienten, welche nach 6 Zyklen FOLFOX kein Tumoransprechen um mehr als 20 % zeigten, erhielten zusätzlich eine Strahlentherapie. Dies war aber nur bei 9 % der FOLFOX-behandelten Patienten der Fall. Die FOLFOX-Therapie war dabei der RCT im Hinblick auf den primären Endpunkt krankheitsfreies Überleben (DFS) nicht unterlegen (5-Jahres-DFS-Rate: 80,8 % für FOLFOX und 78,6 % für die RCT). Wie zu erwarten, ergab die Auswertung der Lebensqualität einen Vorteil für die Behandlung ohne zusätzliche Strahlentherapie der Beckenregion. Mitzunehmen bleibt: die Therapie des Rektumkarzinoms wird zunehmend individueller und eine gute prätherapeutische Diagnostik ist essenziell für die Therapieplanung.

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© Charité Universitätsmedizin

"Die Therapie des Rektumkarzinoms wird zunehmend individueller und eine gute prätherapeutische Diagnostik ist essenziell für die Therapieplanung."

Prof. Dr. med. Sebastian Stintzing

Charité Universitätsedizin Berlin

Liquid Biopsy beim CRC

Beim metastasierten kolorektalen Karzinom (CRC) sind insbesondere Abstracts zur Bedeutung der Liquid Biopsy präsentiert worden. Zwei Phase-III-Studien, PARADIGM und FIRE-4, konnten zeigen, dass durch eine Liquid-Biopsy-Analyse vor Start einer Erstlinientherapie zusätzlich zur bereits durchgeführten RAS-Analyse aus dem Gewebe 7,5-13,5 % Patienten mit RAS-mutierten Tumoren gefunden werden können, welche nicht mit einem EGFR-Antikörper behandelt werden sollten.

Hervorzuheben bleibt auch die negative NORPAC-1-Studie, in welcher ein neoadjuvantes Konzept bei primär operablen Pankreaskarzinomen getestet wurde. Außerhalb von Studien sollte daher bei primär operablen Pankreaskarzinom auch die unmittelbare OP erfolgen.