Viele Studien zum Kolonkarzinom sind geplant oder laufen derzeit an; auch zum metastasierten Kolorektalkarzinom (mCRC) gab es einige Highlights aber auch noch viele offene Fragen.

Das redzidivfreie Überleben von Menschen mit Kolonkarzinoms im Stadium UICC II könne mit einer adjuvanten Chemotherapie mit einem Fluoropyrimidin deutlich gesteigert werden, berichtete Arndt Stahler von der Charité Universitätsmedizin Berlin, auf dem 19. AIO Herbstkongress. Für den Einsatz von Oxaliplatin gebe es keinen zusätzlichen Nutzen im UICC-II- Stadium. Die adjuvante Chemotherapie sei hierbei eine Kann-Entscheidung und sei abhängig von Risikofaktoren, dem Mikrosatellitenstatus und dem T-Stadium (T3 vs. T4). "Daher ist es unabdinglich, dass Personen mit Kolonkarzinom identifiziert werden, die von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren würden. Als Biomarker haben wir dafür die zirkulierende Tumor-DNA", so Stahler.

Anders sei es beim Kolonkarzinom im Stadium UICC III. "Hier ist eine adjuvante Therapie eine Muss-Entscheidung", sagt Stahler. Sie hänge ab von der jeweiligen Konstellation: Tumoren mit einem niedrigen Risiko, also T1-3 N1 Tumoren, können mit einer 3-monatigen CAPOX-Gabe (Capecitabin plus Oxaliplatin) prinzipiell behandelt werden; bei N2-Tumoren konnte eine Nichtunterlegenheit von CAPOX formal nicht nachgewiesen werden. Und bei T4-Tumoren sei eine 6-monatige FOLFOX-Gabe (Folinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin) empfohlen [Andre T et al. Lancet Oncol. 2020;21(12):1620-9].

Offene Fragen zum Kolonkarzinom

Die Fragen, ob eine Therapie durch eine molekular zielgerichtete Therapie optimiert werden könne und wie man mit Erkrankten umgehe, für die eine Therapie mit Oxaliplatin nicht infrage kommt, sollen im Zuge verschiedener AIO-initiierter Studien beantwortet werden. Eine derzeit laufende Studie ist die NICHE-2-Studie für Personen mit lokal fortgeschrittenem MSI-H-Tumoren im Stadium I-III. Hier erhalten die Betroffenen neoadjuvant eine Immuntherapie mit Ipilimumab plus Nivolumab. Der primäre Endpunkt ist die Sicherheit und das krankheitsfreie Überleben. "Wir haben ein fulminant gutes Therapieansprechen gesehen in einem Waterfall-Plot, der als Chalabi-Plot in die Geschichte eingehen wird," erklärte Stahler begeistert. Die MPR ("major pathological responsre rate") und die pCR ("pathologic response rate") seien mit 95 % und 67 % ebenfalls sehr gut [Chalabi M et al. Ann Oncol. 2022;33(Suppl_7):S808-S869]. Die Zeit von der ersten Dosis bis zur Chirurgie von 5,4 Wochen könnten ebenfalls dazu beitragen, dass dies die Grundlage für ein Watch-and-Wait-Konzept biete.

Behandlung des mCRC

"An der strikten Unterteilung der mCRC-Erkrankten in kurativ oder palliativ hat sich mit der Weiterentwicklung der lokal therapeutischen Maßnahmen einiges geändert, sodass wir aktuell von einem fließenden Übergang von palliativer zu potenziell kurativer und kurativer Behandlung ausgehen", sagt Annika Kurreck, Berlin. Eines der obersten Ziele der onkologischen Behandlung solle es sein, Betroffene mit potenziell resektabler Erkrankung einer Resektion zuzuführen. Genau diese Gedanken seien Kurreck zufolge auch in die aktuelle ESMO-Leitlinie zum metastasierten CRC eingegangen [Cervantes A et al. Ann Oncol. 2023; 34(1):10-32]:

  • Personen mit mCRC sollten bezüglich lokal therapeutischer Maßnahmen im Rahmen eines multidisziplinären Tumorboards besprochen werden.

  • Personen mit primär resektablen kolorektalen- und Lebermetastasen und sog. günstigen Kriterien, wie z. B. einer metachronen Metastasierung, können einer "Upfront"-Resektion zugeführt werden; Personen mit onkologisch ungünstigen Kriterien sollten hingegen eine perioperative Oxaliplatin-haltige Systemtherapie erhalten.

  • Personen mit potenziell resektabler Erkrankung, die eine Systemtherapie erhalten, sollen im Verlauf regelmäßg radiologisch re-evaluiert werden.

Wie wird Resektabilität erzielt?

"Auf dem ASCO 2022 wurden dazu die Ergebnisse der TRIPLETE-Studie [Cremolini C et al. ASCo. 2022; Abstr LBA3505] vorgestellt. Sie haben ergeben, dass bei Erkrankten mit Doppel-Wildtyp-Karzinom die Hinzunahme von Irinotecan zu einer Oxaliplatin-haltigen Dublette in Kombination mit dem Anti-EGFR-Antikörper Panitumumab nicht zu einer Verbesserung der objektiven Ansprechrate oder der sekundären Resektionsrate führte", sagt Kurreck. Bei Personen mit RAS/BRAF-Mutation konnte in der CAIRO5-Studie ein Vorteil im progressionsfreien Überleben für die intensivere Chemotherapie mit FOLFOXIRI plus Bevacizumab im Vergleich zur Dublette mit FOLFOX oder FOLFIRI plus Bevacizumab gezeigt werden (10,6 vs. 9,0 Monate) [Cornelis JA et al. ASCO. 2022;Abstr LBA3506].

Bericht vom 19. Herbstkongress der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft (AIO), der vom 8. bis 10. Dezember in Berlin und hybrid stattfand.