Schätzungen zum Risiko für Dünndarmtumoren bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) variieren. Eine Analyse landesweiter Registerdaten aus Norwegen und Schweden liefert aktuelle Näherungswerte.

Für eine optimale Krebsprävention bei Patienten mit CED ist es notwendig, ihr individuelles Risiko einschätzen zu können. Es herrscht jedoch kein Konsens darüber, wie hoch ihr Dünndarmkrebsrisiko verglichen mit der Allgemeinbevölkerung ist. Um das besser beurteilen zu können, haben Forscher eine prospektive Studie mit allen in den vergangenen Jahrzehnten in Norwegen und Schweden erfassten Patienten mit Colitis ulcerosa (UC) und Morbus Crohn (MC) durchgeführt.

Mithilfe von landesweiten Registern identifizierte ein Team um Jimmy Yu, Stockholm, Schweden, alle Patienten, die zwischen 1987 und 2016 eine solche Diagnose erhalten hatten. Die Mediziner ermittelten, wie viele davon innerhalb einer medianen Nachbeobachtungszeit von 10 Jahren an Adenokarzinomen oder neuroendokrinen Tumoren des Dünndarms erkrankten. Sie berechneten standardisierte Inzidenzverhältnisse (SIR) aus den Quotienten von beobachteter und erwarteter Erkrankungszahl.

Die Kohorte umfasste mehr als 142.000 Patienten, davon hatten rund 32 % MC, etwa 60 % UC und die übrigen 8 % nicht klassifizierte CED. Insgesamt traten 66 Adenokarzinome bzw. 57 neuroendokrine Tumoren des Dünndarms auf.

Die Berechnungen der Forschenden ergaben für MC-Patienten ein um mehr als das 8-fache gesteigertes Risiko für Adenokarzinome des Dünndarms (SIR 8,3), während es für Patienten mit UC nur doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung war (SIR 2,0). Die höchsten Inzidenzraten bezüglich Adenokarzinomen entdeckten die Mediziner bei MC mit Strikturen (14,7 pro 100.000 Personenjahre) und bei auf den Dünndarm beschränkter CED (15,8 pro 100.000 Personenjahre).

Das Risiko für neuroendokrine Tumoren war den Forschenden zufolge bei Patienten mit MC um das 2,5-fache (SIR 2,5) und bei UC-Patienten um das Doppelte (SIR 2,0) erhöht.

Fazit: Die Befunde ähneln denen einer früheren Metaanalyse, die ein knapp 10-Fach erhöhtes Dünndarmkrebsrisiko für MC-Patienten ergab. Das absolute Risiko für maligne Dünndarmerkankungen beider Patientengruppen scheine dennoch gering zu sein, schlussfolgern die Autoren.

Yu J et al. Inflammatory bowel disease and risk of adenocarcinoma and neuroendocrine tumors in the small bowel. Ann Oncol. 2022; 33(6):649-56