Vor einigen Jahren verblüffte ein Flusskrebs Aquarianer und Wissenschaftler - der Marmorkrebs. Dieses Krustentier hatte sich innerhalb kürzester Zeit rasant vermehrt. Durch eine Genomsequenzierung wurde klar: alle Tiere stammten von einer einzigen Mutter ab. Die Krebs-Klone waren durch Parthenogenese entstanden, durch Jungfernzeugung. Mittlerweile ist der ursprünglich von den Everglades-Sumpfkrebsen abstammende Marmorkrebs weltweit in verschiedenen Gewässern zu finden, auch in Deutschland, u. a. in Freiburg, Hannover und Heidelberg.

Im Rahmen einer Studie untersuchten Forschende auf Madagaskar, wie gut sich der Krebs mittels Parthenogenese im Freiland ausbreiten kann. Denn eigentlich, so die allgemeine Annahme, ist nur durch eine geschlechtliche Fortpflanzung eine schnelle Anpassung an widrige Umweltbedingungen möglich. Die Verbreitung des Marmorkrebses gab den Forschern zunächst Rätsel auf: Obwohl alle Individuen mit den gleichen Genen geboren werden, können sie sich extrem schnell an unterschiedliche Lebensräume anpassen. Antworten auf dieses Rätsel gibt die Epigenetik. Epigenetische Mechanismen können wie Schalter Gene an- und abschalten. Da es bei den Marmorkrebsen kaum genetische Variation gibt, ist die epigenetische Variation eigenständig, was den Marmorkrebs auch für Tumorforscher interessant macht [vgl. Gatzmann F et al. Epigenetics Chromatin. 2018;11(1):57; Vogt G. Naturwissenschaften. 2022;109(1):16].

Genau wie beim Marmorkrebs verbreitet sich ein Tumor klonal und kann durch epigenetische Veränderungen z. B. Resistenzen gegenüber Krebsmedikamenten entwickeln. Diese klonalen Genom-Evolutionen können durch zufällige Mutationen, Gen-Drift, Selektionsdruck und epigenetische Anpassungen entstehen. Forschende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) versuchen diesen Mechanismen auf den Grund zu gehen, um möglicherweise Vorgänge in Tumoren besser zu verstehen und neue Ansätze in der Tumorbehandlung zu erhalten.

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Lyko/DKFZ