Die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) gewinnt bei Betroffenen mit malignen hämatologischen Erkrankungen erheblich an Bedeutung mit weltweit ca. 50.000 Therapien pro Jahr. Der Nutzen der physikalischen Therapie ist unbestritten. Trotzdem werden im Einzelfall oft Kontraindikationen gegen ihren Einsatz gesehen.

Dass physische Aktivität die körperlichen und psychosozialen Funktionen und damit die Lebensqualität (QoL) der Erkrankten nach einer HSCT sehr positiv beeinflussen kann, wurde mehrfach gezeigt. Dennoch herrscht nicht selten Unklarheit, ob bei der Intensität der HSCT und deren oft gravierenden Nebenwirkungen physikalische Therapiemaßnahmen (PT) überhaupt erlaubt und sinnvoll sind. Daher ist es wichtig, dass im Gesundheitsbereich Tätige ("healthcare professionals", HCP) die medizinischen Voraussetzungen und Sicherheitsaspekte, die für oder gegen eine PT sprechen, kennen. Nur so kann das therapeutische Vorgehen korrekt geplant werden und Mediziner, Pflegepersonal und Physiotherapeuten können zu den gleichen Einschätzungen kommen.

In einer deutschlandweiten Untersuchung wurde daher ein Team aus den Bereichen Medizin, Pflege und Physiotherapie mittels Fragebogen zu ihrer Einschätzung von 15 verschiedenen Patientencharakteristika als mögliche Kontraindikationen gegen eine PT befragt. Von 248 erhaltenen Fragebögen waren 129 vollständig ausgefüllt worden: Medizin (n = 51), Pflege (n = 52) und Physiotherapie (n = 26).

Akute Infektionen wurden als einzige von allen 3 Berufsgruppen als Kontraindikation gegen eine physikalische Therapie angesehen (62,7 %). Eine Kachexie (78 %), ein Stoma (91 %), ein Port (96,2 %), psychische Probleme (88,4 %) oder eine Leukopenie (83,3 %) wurden hingegen von der Mehrheit der HCP nicht als Kontraindikation (KI) gegen eine PT gewertet.

Bei anderen Symptomen wie z. B. einer Herzinsuffizienz, Osteolysen, Lungenerkrankungen oder Anämie mit einem Hämoglobin ≤ 8 g/dl gab es hingegen große Unterschiede in der Einschätzung als KI zwischen den Berufsgruppen. Bei der Herzinsuffizienz sahen Behandelnde aus Medizin in 64,7 %, aus der Physiotherapie in 46,2 % und aus der Pflege nur in 26,8 % keine Kontraindikation. Auch eine ausgeprägte Anämie wurde von den Medizinern in 60,8 % nicht als KI gegen die PT angesehen, die entsprechenden Werte lagen bei den Pflegenden und dem Physiotherapie-Team bei nur 32,7 % und 19,2 %.

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Eine physikalische Therapie sollte im multidisziplinären Team festgelegt werden.

Insgesamt sahen Ärzte und Ärztinnen wesentlich seltener eine KI und votierten damit häufiger für eine konsequente Physiotherapie als das Pflege- und Physiotherapie-Personal. Hatten die Behandelnden außerdem ein zusätzliches Training bezüglich der Physiotherapie erhalten, wurde diese noch positiver eingeschätzt. So sahen bei einer Thrombozytopenie ≤ 50.000/ul primär 54,8 % des Behandlerteams darin eine KI, aber nach einem entsprechenden Training keiner mehr.

Fazit: Bei einer Beurteilung möglicher Kontraindikationen gegen eine physikalische Therapie bei Betroffenen mit einer HSCT zeigen sich teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den 3 HCP-Gruppen. Daher sollte eine physikalische Therapie bei diesen oft schwerkranken Personen in einem multidisziplinären Team festgelegt werden, damit möglichst viele Patienten und Patientinnen von einer den Symptomen jeweils optimal angepassten Therapie profitieren können.

Meyer-Schwickerath C et al. Health care professionals' understanding of contraindications for physical activity advice in the setting of stem cell transplantation. Support Care Cancer. 2022; https://doi.org/10.1007/s00520-022-07336-4