Obwohl Männer ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Verlauf von Krebserkrankungen haben als Frauen, wird das biologische Geschlecht als mögliche Ursache für diesen Unterschied weder in der Grundlagenforschung noch in ihrer Translation in die Klinik ausreichend berücksichtigt. Noch immer werden Geschlechtsunterschiede bei Krebserkrankungen hauptsächlich den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten, wie beispielsweise dem erhöhten Tabak- bzw. Alkoholkonsum oder dem ungesünderen Ernährungsverhalten der männlichen Bevölkerungsgruppe, zugeschrieben. Allerdings weisen neue epidemiologische Studien darauf hin, dass allein das biologische Geschlecht, unabhängig vom Lebensstil, die entscheidende biologische Variable sein könnte. Um dies zu untermauern, ist es wichtig, körpereigene intrinsische Faktoren (neben Hormonen auch spezifische Proteine) zu identifizieren, die den geschlechtsspezifischen Fortschritt von Krebserkrankungen regulieren. Die Identifikation solcher Faktoren kann dann zu einer verbesserten personalisierten Medizin führen.

Im Zusammenhang mit Krebs, aber auch bei anderen lebensbedrohlichen Krankheiten, findet gerade ein Paradigmenwechsel in den Forschungsansätzen wie auch in bedeutenden Förderorganisationen statt, bei dem z. B. von der Konzeption von Patientenkohorten bis hin zur Verwendung von Zelllinien im Brutschrank das biologische Geschlecht die gebotene Berücksichtigung erfährt, um die Übertragung in die personalisierte Medizin und Diagnostik zu verbessern.

Das körpereigene Protein TIMP1 als Ursache für ein erhöhtes Risiko bei Männern

Am Beispiel des Bauchspeicheldrüsenkrebses konnte unsere Arbeitsgruppe mit einer geschlechtsspezifischen Analyse von molekularbiologischen, präklinischen und klinischen Daten zeigen, dass das verringerte Überleben männlicher Individuen mit einer gegenüber weiblichen Individuen stärkeren Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) in der Leber einhergeht [Hermann CD et al. J Exp Med. 2021;218(11):e2021091]. Als Ursache dafür stellte sich das körpereigene Protein TIMP1 ("tissue inhibitor of metalloproteinases 1") und dessen männerspezifisch erhöhte Genexpression heraus. Aber nicht nur beim Bauchspeicheldrüsenkrebs, sondern auch bei anderen Tumorarten des Verdauungstrakts, die in die Leber metastasieren, wie Darmkrebs oder das maligne Melanom, ist eine TIMP1-assoziierte männerspezifisch erhöhte Metastasierung in die Leber zu beobachten.

Verlässliche Identifikation einer Hochrisikogruppe

Die Beobachtung des geschlechtsspezifischen Zusammenhangs zwischen TIMP1-Spiegeln und einer verstärkten Lebermetastasierung ermöglichte die verlässliche Identifikation einer Hochrisikogruppe männlicher Krebspatienten allein durch Bestimmung von TIMP1 im Tumorgewebe bzw. im Blut. Diese Untergruppe umfasst etwa 40 % der männlichen Darm- bzw. Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten bzw. etwa 15 % der männlichen Patienten mit malignem Melanom und hat im Vergleich zu allen anderen Erkrankten mit denselben Tumorarten ein über 13-fach (bei Darmkrebs), 3-fach (bei Bauchspeicheldrüsenkrebs) bzw. 4-fach (beim Melanom) höheres Risiko, Lebermetastasen zu entwickeln.

Diese Studie ist ein Beispiel für eine Lebensstil-unabhängige, molekulare Ursache für Geschlechtsunterschiede beim Verlauf von Krebserkrankungen und rückt die Berücksichtigung biologischer Unterschiede weiter in den Fokus.

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© T. Einberger/TUM

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Chris Hermann (M.Sc) und Prof. Dr. Achim Krüger Institute für Molekulare Immunologie und Experimentelle Onkologie, Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München