Die Digitalisierung in Klinken und Praxen ist nicht mehr aufzuhalten. Auch wenn es teilweise noch mit der Software und dem Datenschutz hapert, mussten Ärzte vieles Nachrüsten, um Sanktionen zu entgehen. Das hat auch Einfluss auf den beruflichen Alltag.

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Die Digitalisierung verändert zunehmend den Arbeitsalltag der Ärzte.

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in den Arztpraxen erheblich zugenommen. Während viele Ärzte der Telemedizin vor Beginn der Pandemie noch kritisch gegenüber standen, hat sich die Einstellung vieler dazu geändert.

Aufgrund der Corona-Pandemie haben viele Patienten Arztbesuche vermieden, aus Angst sich anzustecken. In dieser Zeit zeigten sich die Telemedizin und Videosprechstunden als adäquates Mittel, um Arzt-Patienten-Kontakte zu ermöglichen. Rechtliche Regelungen zur Durchführung und Vergütung von Videosprechstunden wurden angepasst und ausgeweitet. Langfristig sollte sich die angestoßene Entwicklung zu mehr Digitalisierung dauerhaft im Gesundheitssystem integrieren und neue Lösungsansätze für die medizinisch Versorgung sollten implementiert werden.

Ob die telemedizinische Anwendung ärztlich vertretbar ist, setzt stets eine Abwägung des Arztes voraus, bei der auch die gesundheitsbezogene Situation des Patienten zu berücksichtigen ist.

Digitaler Fortschritt ist teuer

Neben den telemedizinischen Softwareanwendungen kamen seit 2021 noch weitere hinzu: Seit 1. Juli 2021 wurde die elektronische Patientenakte (ePA) eingeführt. Ärzte in Kiniken und Praxen wurden dazu aufgefordert, bis dato die technische Ausrüstung anzuschaffen, um über die Telematikinfrastruktur auf die Akte zugreifen und sie befüllen zu können. Wer sich um die technischen Komponenten, die Praxissoftware oder den E-Arztausweis nicht rechtzeitig gekümmert hatte, dem drohten Saktionen. Der E-Arztausweis ist auch für die ab Oktober 2021 mögliche Ausstellung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wichtig [ÄrzteZeitung. 2021;40(42):14].

Der Arzt als Digitalexperte

Diese sich ständig ändernden digitalen Technologien verändern auch die Rolle des Arztes. Sie sollen die digitalen Werkzeuge nutzen, um in ungewöhnlichen Situationen zu helfen, andererseits sollen Ethik und Empathie nicht in den Hintergrund rücken.

Bei der Videosprechstunde sollte grundsätzlich der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient weiterhin als Goldstandard anzusehen sein. Mangels eines definierten Fernbehandlungsstandards ist auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen, nach denen die Behandlung indiziert, entsprechend den fachlichen Regeln erfolgen und durch eine Einwilligung gedeckt sein muss. Hinzu kommt, dass der Arzt prüfen muss, ob die Einhaltung des medizinischen Facharztstandards überhaupt durch Telemedizin gewährleistet werden kann. Ist beispielswiese eine körperliche Untersuchung (z. B. Tastuntersuchung) zwingend erforderlich, erfüllt die Behandlung unter telemedizinischen Kommunikationsmöglichkeiten nicht den geforderten Mindeststandard. Im Zweifelsfall sollte der Patient dann zu einer persönlichen Vorstellung bei einem Arzt aufgefordert werden. Unproblematischer ist es, wenn Telemedizin die ärztliche Tätigkeit lediglich unterstützt bzw. ergänzt und somit qualitätssichernd wirkt. Handelt es sich bei der Videosprechstunde z. B. um Kontrolluntersuchungen, ist die Anwendbarkeit von Telemedizin möglich.

Zu beachten ist allerdings, dass den Dokumentationspflichten im Rahmen der Fernbehandlung noch einmal mehr Bedeutung zukommen dürfte, da sich der Arzt im Falle einer Haftung nur auf diese beziehen kann, um eine korrekte Behandlung zu belegen [Jorzig A. best practice onkologie. 2021;16(5):240-4].

Mehr Patientenautonomie

Von Patientenseite her soll eine größere Flexibilität und bessere ländliche Versorgung geschaffen werden. Mithilfe unterschiedlicher Online-Gesundheitsprogramme oder "Gesundheitsapps" soll das Bewusstsein der Patienten für ihre Erkrankungen geschärft werden. Autonomie und Eigenverantwortlichkeit sollen so gesteigert werden.

Mit der neuen Regelung zum E-Rezept, die ab 1. Januar 2022 in Kraft treten wird, soll zudem die klassische Papierflut reduziert werden. Patienten können die ärztlich angeordnete Rx-Anforderung direkt mittels Smartphone-App der Apotheke übermitteln. Inwieweit das E-Rezept Anklag findet, bleibt abzuwarten.