Es mehren sich Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Infektion mit Epstein-Barr-Viren und Morbus Hodgkin. Therapiestrategien auf Basis neuer Forschungsergebnisse werden bereits getestet.

Unter Menschen ≥ 30 Jahre liegt die Rate der Durchseuchung mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei bis zu 95 %. Bei einigen Malignomen, etwa beim Nasopharynxkarzinom und beim Burkitt-Lymphom ist der pathogenetische Zusammenhang mit den Viren belegt. Es mehren sich Hinweise, dass es eine solche Assoziation auch beim Morbus Hodgkin gibt. Bereits Anfang der 1970er-Jahre entdeckten Forscher bei Hodgkin-Patienten erhöhte Titer von Antikörpern, die gegen EBV-Antigene gerichtet waren. Sie treten offenbar bereits vor der Entwicklung des Lymphoms auf.

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Die britischen EBV-Experten Paul Murray von der University of Birmingham und Lawrence Young von der Universität Warwick erinnern daran, dass für eine kausale Beziehung die Infektion von Tumorzellen mit dem Virus unerlässlich ist. Dies sei bereits in den ersten serologischen Studien beim Morbus Hodgkin beobachtet worden. Schon 1985 hätten Forscher das Antigen EBNA1 ("Epstein-Barr Nuclear Antigen 1") in Reed-Sternberg-Zellen (Hodgkin-Zellen) nachgewiesen. Bei fast jeder vierten Hodgkin-Biopsie sei zudem EBV-DNA in den Reed-Sternberg-Zellen nachgewiesen worden, so die Forscher.

Anfang der 1990er-Jahre hätten Wissenschaftler schließlich die von EBV kodierten Proteine LMP1 ("latent membrane protein 1"), LMP2 und EBNA1 in den Hodgkin-Zellen gefunden. Alle 3 Proteine sind an der Pathogenese des Morbus Hodgkin beteiligt, etwa indem die Genexpression in den Hodgkin-Zellen teilweise verändert wird. Darüber hinaus beeinflussen die Latent-Gene von EBV offenbar die Zusammensetzung der Tumormikroumgebung, wie Murray und Young berichten. Dabei werden regulatorische T-Zellen aufgrund der Synthese von Chemokinen und Zytokinen durch die Hodgkin-Zellen angelockt.

Die britischen Wissenschaftler verweisen auch auf eine andere EBV-assoziierte Erkrankung: die transplantationsassoziierte lymphoproliferative Erkrankung ("post-transplant lymphoproliferative disorder", PTLD), die nach Organtransplantationen auftreten kann und eine schwere Komplikation der immunsuppressiven Therapie ist. Von den PTLD ist schon länger bekannt, dass sie häufig mit einer Infektion durch oder eine Reaktivierung von EBV assoziiert sind. Sie beruhen auf einer gestörten virusspezifischen Immunkompetenz.

Die Forscher bemängeln, dass der Nachweis von EBV in Hodgkin-Zellen zwar in der Diagnostik genutzt werde, aber dies keinen Einfluss auf das Patientenmanagement habe. Insgesamt liege die 5-Jahres-Überlebensrate nach Chemo- und Radiotherapie bei 80-90 %, doch betrage sie gerade bei Älteren ≥ 70 gerade noch 30-50 %. Ein positiver EBV-Status sei zudem bei Älteren mit einer schlechteren Prognose assoziiert.

Fazit: Da Checkpointhemmer, die gegen PD-1 gerichtet sind, in der Onkologie erfolgreich genutzt werden, können sich die Forscher künftig eine Strategie vorstellen, bei der Checkpointhemmer mit EBV-spezifischen Therapieansätzen kombiniert werden. Zudem hätten sich gerade bei PTLD-Patienten ex vivo vorbereitete T-Zellen sowie patienteneigene, gegen EBV-Antigen gerichtete T-Zellen als wirksamer Behandlungsansatz entpuppt. Neue Optionen gegen EBV-assoziierte Tumorerkrankungen inklusive Morbus Hodgkin, die derzeit entwickelt würden, seien schließlich Impfstoffe auf Basis von Virusproteinen oder -peptiden sowie synthetische EBNA1-Hemmer.

Murray PG, Young LS. An etiological role for the Epstein-Barr virus in the pathogenesis of classical Hodgkin lymphoma. Blood. 2019; 134(7):591-6