Personalisierte Therapien beim Lungenkarzinom haben sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt, viele neue Medikamente drängen in die Erstlinie. Da das Ansprechen und der Krankheitsverlauf bei jedem Patienten sehr individuell sind, werden weitere Therapieansätze nach einem Progress benötigt.

Ob eine primäre oder eine erworbene Resistenz vorliege, sei arbiträr und biologisch nicht gut zu trennen, so Jürgen Wolf, Köln. Eine primäre Resistenz, also wenn der Patient überhaupt nicht auf eine Therapie anspricht, könne durch korrekte Molekularanalysen deutlich eingegrenzt werden. Erworbene Resistenzen entstünden im weiteren Krankheits- bzw. Behandlungsverlauf. Für die Krankheitsentwicklung sei aber das pharmakokinetische und pharmakodynamische Verhältnis wichtig, also die biologische Resistenz, so Wolf. Oft ändere sich im Krankheitsverlauf die Zielstruktur oder ein anderes Onkogen übernimmt als Treiber. Dabei werde in On-Target- und Off-Target-Mechanismen unterschieden.

Bei einer On-Target-Resistenz handle es sich um sterische Veränderungen, z. B. am EGF("epidermal growth factor")-Rezeptor, sodass Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) keine kovalente Bindung mehr eingehen können. Demnach werde anschließend ein TKI der neuen Generation benötigt, so Wolf.

Off-Target-Resistenzen dagegen liege die genetische Heterogenität des Tumors zugrunde. Durch Kombinationstherapien kann die klonale Heterogenität, die sich in einer molekularen Diversität des Tumors äußert, möglicherweise überwunden werden. Als Strategiebeispiel führte Wolf die Kombination eines TKI mit einer Chemotherapie auf, da das Ansprechen auf die TKI-Monotherapie nicht tief genug gehe. Die Daten einer japanischen Studie mit Gefitinib kombiniert mit einer Chemotherapie aus Carboplatin/Pemetrexed gegenüber der Gefitinib-Monotherapie beim fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinom bestätigten, dass die objektive Ansprechrate unter der Kombinationstherapie mit 84 versus 67 % deutlich verbessert wird [Hosomi Y et al. J Clin Oncol. 2020;38(2):115-23].

Abschließend meinte Wolf, dass weitere Kombinationstherapien untersucht würden. Der Ansatz, zunächst mit einem TKI der neuen Generation zu behandeln, bleibe bestehen. Nach einem Progress werde in einer Re-Biopsie oder Liquid Biopsy nach Resistenzmutationen gesucht und entsprechend molekular gesteuert eine Kombinationstherapie (anderer TKI, MET-, RET- bzw FGFR-Inhibitor) ausgewählt, betonte Wolf. Dieses Verfahren habe sich ebenso bei der sekundären Resistenz als günstig erwiesen, bestätigte auch Michael Thomas, Heidelberg. "Sequentielle Biopsien, um die molekulare Semantik wie Gentransformationen, Met-Amplifikationen oder Genfusionen zu detektieren, spielen eine zentrale Rolle für die Entscheidung der weiteren Therapie."

Interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig

Patienten mit Lungentumoren hätten in den vergangenen Jahren in hohen Maßen von der interdisziplinären Zusammenarbeit vieler Fachgruppen profitiert, betonte Reinhardt Büttner, Köln. Für eine moderne Diagnostik sei zudem ein erfahrenes Team aus Pathologen, Molekularpathologen und Bioinformatiker unerlässlich, denn es werden immer neue Aberrationen identifiziert, die eine molekular zielgerichtete Therapie in erster aber auch in höherer Therapielinie erlauben. Besonders spannend seien derzeit die KRAS-Inhibitoren, für die es in absehbarer Zeit erste Zulassungen geben werde. Im Hinblick auf die Immuntherapie plädierte er nochmals dafür, sich nicht auf singuläre Marker zu konzentrieren. Neben der PD-L1-Expression, die heute in Deutschland sehr gut reproduzierbar bestimmt werden könne, spielten für das Ansprechen auch das Mikroenvironement und die Tumormutationslast (TMB) eine Rolle. Für die TMB stünden mittlerweile sechs verlässliche Tests zur Verfügung [Stentzinger Aet al. J Thorac Oncol. 2020; https://doi.org/10.1016/j.jtho.2020.01.023]. Aber auch die Histologie werde ihre Rolle nicht verlieren. In diesem Zusammenhang werde man zunehmend auch Analyseverfahren einsetzen, die auf künstliche Intelligenz und Deep Learning setzen, so Büttner.

Bericht vom 34. Deutschen Krebskongress (DKK) vom 19. bis 22. Februar 2020 in Berlin