Im nationalen Krebsplan sind zertifizierte Zentren als Qualitätspromotoren festgeschrieben. Ziel der multidiziplinären und transsektoralen Zusammenarbeit ist die Verbesserung der Patientenversorgung. Dass dieses Ziel bei zertifizierten viszeralonkologischen Zentren erreicht wird, zeigen verschiedene Qualitätsindikatoren eindrücklich.

Bis Juni 2019 waren bereits 282 Darmkrebszentren an 289 Standorten - 12 davon im umliegenden Ausland - von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert, berichtete Thomas Seufferlein, Sprecher der Zertifizierungskommission der viszeralonkologischen Zentren vom Universitätsklinikum Ulm, auf dem Deutschen Krebskongress 2020 in Berlin*. Damit ist seines Erachtens ein flächendeckendes Angebot in Deutschland gewährleistet. Weitere 6 Zentren befinden sich in der Erstzertifizierung.

Zertifizierung weltweit

Unter den neuen Anwärtern für ein zertifiziertes Darmkrebszentrum sind auch zwei Zentren in Shanghai, China, und eines in Samara, Russland. Aktuell nehmen fast 100 onkologische Versorgungseinheiten außerhalb von Deutschland an dem seit 2016 internationalen Zertifizierungsprozess der Deutschen Krebsgesellschaft teil. Seufferlein bezeichnete die zertifizierten Zentren als "Exportschlager".

Menge schafft Qualität

Ein wichtiges Kriterium der Zertifizierung ist eine Mindestmenge von Darmkrebseingriffen (> 30 pro Jahr) und Rektumkarzinomoperationen (> 20 pro Jahr), die an der betreffenden Einrichtung durchgeführt werden. Eine erhöhte Fallzahl bedeutet laut Seufferlein nicht nur eine bessere Routine beim Operateur, sondern in der gesamten Versorgung. Dass die Mindestmengen gerechtfertigt seien, zeige etwa die Krankenhaussterblichkeit: Sie liege beim Kolonkarzinom bei Zentren, die diese Mindestmenge erfüllen, bei 5,6 %, bei Zentren, die ≤ 30 solcher Operationen im Jahr durchführen, aber bei 6,8 %, so Seufferlein. Beim Rektumkarzinom zeige sich der Unterschied noch deutlicher: Bei Kliniken mit ≥ 20 Rektumoperationen pro Jahr liege die Mortalität bei 2,6%, wo weniger operiert wird bei 4,3%. Da ist es im Sinne der Qualität, dass die Zahl der niedervolumigen Krankenhäuser zwischen 2006 und 2018 um 19 % gesunken ist, während die Zahl der höhervolumigen, zertifizierten Krankenhäuser gleich geblieben ist.

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Photri Inc. / OKAPIA

Zertifizierung erhöht Überleben

Auch die Zertifizierung geht mit einem Überlebensvorteil einher. In einer retrospektiven Analyse des Krebsregisters Regensburg lag die 3-Jahres-Überlebensrate von Darmkrebspatienten in zertifizierten Zentren bei 71,6 %, in anderen Kliniken bei 63,6 %, was einer Risikoreduktion von etwa 20 % entspricht [Völkel V et al. Gesundheitswesen. 2018;81(10):801-7]. In einer populationsbasierte Kohortenstudie mit Versicherten der AOK-Sachsen lag die 30-Tages-Mortalität in zertifizierten Zentren bei 9,8 %, in den übrigen Darmkrebszentren bei 12,0 % [Trautmann F et al. Eur J Surg Oncol. 2018;44(9): 1324-30]. Das mediane Gesamtüberleben war unter Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren in dieser Auswertung um über ein Jahr länger, wenn die Darmkrebspatienten in zertifizierten Zentren behandelt worden waren (5,8 vs. 4,7 Jahre in nicht zertifizierten Zentren).

Zertifizierung ist Plattform für mehr

Die gute Dokumentationsqualität im Rahmen der Zertifizierung ermöglicht nicht nur jährliche Berichte zur Ergebnisqualität, sondern auch die Nutzung für innovative Forschungsprojekte. So läuft derzeit die EDIUM-Studie, die von Patienten mit Darmkrebs berichtete Endpunkte, wie Lebensqualität und funktionelle Parameter, zusammen mit den klinischen Ergebnissen untersucht. Außerdem wurde ein qualitätsgesichertes Zweitmeinungskonzept gestartet.

Engagement statt Regulation

Die Umsetzung von Zertifizierung und Qualitätssicherung hat einen hohen Aufwand bedeutet, der bis letztes Jahr nicht honoriert wurde, sondern ehrenamtliches Engagement verlangte. Seufferlein betonte, die Zertifizierung zeige, was Ärzte, Pflegende und alle im Krankenhaus Tätigen leisten könnten, ohne dass man sie reguliere, und betonte: "Qualität ist für Mediziner und Pflegende ein maximaler Motivator!"

*Wissenschaftliches Symposium vom 34. Deutschen Krebskongress: "Qualitätssicherung in der onkologischen Diagnostik und Therapie" unter dem Vorsitz von Rainer Engers, Neuss, und Hans-Ulrich Jelitto, Grenzach-Wyhlen, am 21. Februar 2020 in Berlin