Therapeutisch passiert derzeit viel bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). Der Trend heißt weiter: Weniger Chemo-, weniger Dauertherapie, wie auf dem Jahreskongress des Tumorzentrums München (TZM) deutlich wurde.

Es sei ein Muss, vor dem Beginn einer CLL-Therapie bei Patienten den IGHV("immunoglobulin heavy chain variable region")-Status zu erfassen, betonte Clemens Wendtner, München. Zwar fiele die Prognose für Betroffene, bei deren Erkrankung IGHV-Gene nicht mutiert seien, gemeinhin schlechter aus, zumindest unter einer Chemotherapie. Eine Behandlung mit dem BTK("bruton's tyrosine kinase")-Inhibitor Ibrutinib könne aber das Risiko nivellieren, so Wendtner: "Patienten mit unmutiertem IGHV-Status sollten daher heutzutage nicht mehr chemotherapiert, sondern mit Ibrutinib behandelt werden". Im Laufe des Jahres 2020 werde man zudem die Leitlinien entsprechend verändern. Bei mutierten IGHV-Status könne man das Glas als halb leer oder halb voll bewerten, erklärte Wendtner: "Es ist möglich, mit einer Chemotherapie zu behandeln, aber es ist auch kein Fehler, in dieser Situation einen BTK-Inhibitor zu applizieren."

BTK-Inhibitoren der 2. Generation rücken vor

Wendtner stellte auch die auf dem Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) 2019 präsentierten Daten zu Acalabrutinib, einem BTK-Inhibitor der 2. Generation vor. Acalabrutinib wurde in der Studie ELEVATE-TN sowohl in Kombination mit dem Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab als auch allein gegen eine Behandlung mit Chlorambucil/Obinutuzumab geprüft [Sharman JP et al. ASH. 2019;Abstr 31]. Das progressionsfreie Überleben (PFS) fiel unter Acalabrutinib sowohl in Kombination als auch mono im Vergleich zu Chlorambucil/Obinutuzumab besser aus (30-Monats-PFS-Raten: 90 %, 82 %, 34 %). Die Raten für das 30-Monats-Gesamtüberleben betrugen 95 %, 94 % und 90 %. Nach Wendtner ist Acalabrutinib ein potenzieller Standard für die Erstlinientherapie. Er rechne mit einer Zulassung in Europa in diesem Jahr. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat die Substanz bereits Ende 2019 zugelassen.

Endliche Therapien bei CLL

Mit Blick auf Therapien mit begrenzter Zeitdauer verwies Wendtner auf Ergebnisse der CLL14-Studie, für die auf dem ASH nochmals ein Update vorgestellt worden war [Fisher et al. ASH. 2019;Abstr 36]. In dieser Studie der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG) hatte sich die zeitlich limitierte Kombinationstherapie aus dem Bcl-2-Inhibitor Venetoclax plus Obinutuzumab einer Behandlung mit Chlorambucil/Obinutuzumab bezüglich primärer (PFS) und sekundärer Endpunkte (u. a. Freiheit von minimaler Resterkrankung [MRD]) als überlegen erwiesen. Auch in der aktualisierten Analyse wurde die hohe Rate an MRD-Negativität unter der chemotherapiefreien Therapie bestätigt (MRD-Rate im peripheren Blut: 75,5 vs. 35,2 %; MRD im Knochenmark: 56,9 vs. 17,1 %). Venetoclax/Obinutuzumab ist in den USA bereits zugelassen. "In Deutschland warten wir eigentlich wöchentlich auf die Zulassung", so der Onkologe.

Bericht von der Jahrestagung 2020 des Tumorzentrums München "TZM-Essentials" am 8. Februar in München.