Stark erschöpft, energielos und unmotiviert — so fühlen sich viele Patienten, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Dieser auch als krebsassoziierte Fatigue (CrF) bezeichnete Zustand ist nicht nur eine enorme Belastung für die Betroffenen, er lässt sich tendenziell auch nicht gut pharmakologisch behandeln. Vielversprechender als Medikamente erscheinen eher Interventionen, die darauf abzielen, das physische und psychosoziale Aktivitätsniveau der Betroffen anzuheben. Aber genau hier liegt ja das Problem: Wer kann sich schon aufraffen, Sport zu machen oder zum Tanzkurs zu gehen, wenn er sich chronisch erschöpft fühlt? Ob in dieser Situation offene Placebos (OLP, „open-label placebos“) helfen, hat ein Team um Eric. S. Zhou vom Dana-Farber Cancer Institute, Boston, MA/USA, in einer aktuellen kleinen Studie mittels Wartelistenparadigma geprüft.

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© berna namoglu/iStock/Thinkstock (Symbolbild mit Fotomodell)

Die Forscher wiesen CrF-Patienten (55 % davon Brustkrebsüberlebende) einem von zwei Behandlungsarmen zu:

  • OLP (n = 20; Einnahme von 2 OLP-Tabletten/Tag für 22 Tage)

  • Kontrollgruppe (n = 20; diese Teilnehmer erhielten OLP erst nach Ablauf der 22 Tage)

Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung der CrF im FACIT-F(Functional Assessment of Chronic Illness Therapy-Fatigue)-Selbstberichtsfragebogen. Sekundäre Endpunkte waren u. a. sportliche Betätigung, Stimmung und die Lebensqualität (QoL).

Nach 8 bzw. 22 Tagen hatte sich die CrF in der OLP-Gruppe gebessert (p = 0,005 bzw. p = 0,02), während das in der Kontrollgruppe nicht der Fall war (p jeweils > 0,05). Die Effektstärken für diese Verbesserung lagen im großen (d = 0,70; Baseline vs. Tag 8) bzw. moderaten Bereich (d = 0,57; Baseline vs. Tag 22). Bezüglich der sekundären Endpunkte fand das Team lediglich moderate, nicht signifikant Effekte zugunsten der OLP-Gruppe im Hinblick auf Sportfrequenz und QoL. Gleichwohl lohne es sich, auch diese moderaten Effekte in größeren Gruppen zu untersuchen, lautet die Einschätzung von Zhou und Kollegen. Ihre Daten deckten sich außerdem mit denen einer früheren OLP-Studie bei CrF-Betroffenen [Hoenemeyer TW er al. Sci Rep. 2018;8(1):2784]. Dieser Umstand stärke das Vertrauen in die aktuellen Ergebnisse. Das Team ist vom OLP-Ansatz sogar so überzeugt, dass sie in ihrer Diskussion schreiben: Weil sich mittels OLP wirksame Placeboeffekte auch ohne Täuschung der Patienten erzielen ließen, könnten Placebos zu „evidenzbasierten Behandlungen werden, mit denen sich [eine] CrF effektiv bei Krebsüberlebenden managen lässt“. Dessen ungeachtet ist eine Absicherung der Befunde in größeren Studien unerlässlich.