Michele und Davide Antonelli, Pama, Italien, gehen davon aus, dass die Homöopathie als Therapiekonzept auf lange Sicht unhaltbar ist, wenn sie sich nicht auf eine solide wissenschaftliche Basis stellen lässt. Sie argumentieren, dass das Placebokonzept eine solche Basis liefern könnte.

Das Duo schlägt vor, homöopathische Behandlungen (hoB) als wirksame Placebobehandlungen zu reinterpretieren. Davon versprechen sie sich u. a.:

  • Ein besseres Verständnis von Grenzen aber auch Chancen der hoB

  • Versöhnung von Verfechtern allo- und homöopathischer Ansätze. Das könne auch dem Wohlergehen von Patienten zugute kommen, die hoB wünschen (etwa, weil sie so in einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung „gehalten“ werden und für notwendige evidenzbasierte Interventionen nicht gänzlich unerreichbar werden).

Ähnlich sehen das übrigens auch einige deutsche Placeboforscher: „Diese Dichotomie, die man sozusagen in der Medizin findet, einmal Schulmedizin und dann eben die andere Alternativmedizin oder wie auch immer — ich glaube, das ist Denken von Gestern oder Vorgestern, und wir sollten jetzt diese Interventionen versuchen zu integrieren“, so Manfred Schedlowski vom Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk [https://tinyurl.com/DLF-Placebo]. „Ich als Wissenschaftler sehe das eigentlich so, dass diese homöopathischen — im weitesten Sinne — Behandlungsmöglichkeiten eine Option sein können“.

Patienten angemessen aufklären

Antonelli und Antonelli fordern zusammen mit der Reinterpretation der Homöopathie gleichzeitig auch eine Reihe an Änderungen im Umgang mit hOB:

  1. 1.

    Keine Selbstmedikation (hoB nur auf Rezept; das soll verhindern, dass Erkrankten evidenzbasierte Maßnahmen vorenthalten werden, wo diese indiziert wären).

  2. 2.

    HoB nur auf Selbstzahlerbasis.

  3. 3.

    Adäquate Aufklärung von Patienten. Weil auch offen verabreichte Placebos (OLP, „open-label placebos“) wirksam sein können, wäre es die einfachste und ethisch angemessene Art und Weise, Placebobehandlungen — also auch hoB — explizit als OLP zu verabreichen.

Ob sich Homöopathie-interessierte Patienten allerdings wirklich gut behandelt fühlen, wenn Ärzte ihnen hOB als OLP verschreiben — und sie dann auch noch selber dafür zahlen müssen? Hier ist weitere Forschung (und ein gesellschaftlicher Diskurs) gefragt. Ein schwacher Trost mag sein: Es gibt Hinweise, dass der Placeboeffekt stärker ausfällt, wenn Patienten glauben, dass sie von zwei unterschiedlich teuren Präparaten das kostspieligere einnehmen [Espay AZ et al Neurology. 2015;84(8):794-802].

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