Der frühe Tod des FDP-Bundestagsabgeordneten Jimmy Schulz Ende November 2019 hat illustriert, dass beim metastasierten Pankreaskarzinom therapeutisch großer Verbesserungsbedarf besteht. „Mittlerweile gibt es zwar viele Studien, aber es ist doch eine sehr zähe Erfolgsgeschichte“, formulierte es Uwe Pelzer von der Charité Berlin bei der AIO-Herbsttagung.

Konkret gebe es in der metastasierten Situation bei gutem Allgemeinzustand derzeit zwei Optionen: die 2013 in der MPACT-Studie etablierte Kombination aus nabPaclitaxel und Gemcitabin sowie die 2010 in der PRODIGE-Studie etablierte Behandlung nach FOLFIRINOX-Schema. Bei schlechtem Allgemeinzustand sei Gemcitabin/5-FU (Fluorouracil) weiterhin allein auf weiter Flur. „Über die gesamte palliative Kohorte hinweg beträgt das Gesamtüberleben jetzt 12 Monate. Das zeigt, wie schwierig die Behandlung nach wie vor ist“, so Pelzer.

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Für den 16. Herbstkongress der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) trafen sich Experten und Studienleiter in Berlin, um über Präsentationen aktuelle onkologischer Studien zu diskutieren und sich auszutauschen.

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Erste Ansätze für eine bessere Personalisierung der Therapie

Eine aktuelle, retrospektive Analyse liefert eventuell Ansätze für eine bessere Patientenstratifizierung [Shi S, Yu X. Semin Oncol. 2019; 46(1):39-47]. In dieser Studie wurde das Ansprechen auf MPACT- bzw. PRODIGE-Regimes in Abhängigkeit von CA 19-9 analysiert. Es zeigte sich, dass Patienten mit erhöhtem CA 19-9 beim MPACT-Regime ein besseres Outcome hatten als Patienten mit normalem CA 19-9, während sie beim PRODIGE-Regime eher ungünstiger liefen. „Das darf unsere klinischen Entscheidungen noch nicht direkt beeinflussen, aber es hilft bei der Überlegung, wie Folgestudien stratifiziert werden können“, so Pelzer.

Als eine genetisch personalisierte Behandlungsoption kristallisiert sich die Therapie in Abhängigkeit vom BRCA-Status heraus. In der randomisierten, placebokontrollierten POLO-Studie wurde der PARP-Inhibitor Olaparib als Erhaltungstherapie bei metastasierten Patienten mit BRCA1/2-Mutation gegeben, die auf eine platinbasierte Chemotherapie angesprochen hatten und darunter über einen Zeitraum von mindestens 16 Wochen nicht progredient gewesen waren [Golan T et al. N Engl J Med. 2019;381(4):317-27].

Die Behandlung mit Olaparib ging mit einem signifikant längeren, medianen progressionsfreien Überleben (PFS) von 7,4 Monaten einher (vs. 3,8 Monate in der Placebogruppe). Eine vorläufige Mortalitätsanalyse zeigte ein Gesamtüberleben von im Median 18,9 versus 18,1 Monaten. Pelzer hält es für denkbar, dass sich ein signifikanter Mortalitätsnutzen im Verlauf noch zeigt: „Der Unterschied beim PFS ist schon sehr deutlich.“ Praktisch umsetzen ließe sich eine BRCA1/2-Diagnostik relativ unkompliziert, so Pelzer. Sofern an einer Einrichtung nicht ohnehin breite Genomprogramme laufen, wäre die primäre Zielgruppe für einen Gentest jene Patienten, die unter platinbasierter Therapie mindestens 16 Wochen stabil sind. In der POLO-Studie waren das von 3.315 gescreenten Patienten 4,6 %.

Medikamententests an Organoiden?

Klar ist, dass die klinische Forschung noch mehr Fortschritte bei deutlich mehr Patienten machen muss, um die Situation beim Bauchspeicheldrüsenkrebs nachhaltig zu verbessern. „Im Jahr 2025 wird das Pankreaskarzinom voraussichtlich die zweithäufigste Todesursache bei Krebserkrankungen sein, das können wir nicht ignorieren“, sagte Benedikt Westphalen, Comprehensive Cancer Center München.

An der Schwelle zum klinischen Einsatz befänden sich derzeit neue Stratifizierungskonzepte, die mit Liquid Biopsies arbeiten. So konnte kürzlich eine Metaanalyse von fünf koreanischen Studien zeigen, dass zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) ein vielversprechender Biomarker für eine Stratifizierung von Patienten mit resektablem Pankreaskarzinom sein könnte [Lee JS et al. Sci Rep. 2019; 9(1): 16971]. Im deutschen Kontext wird die Rolle der ctDNA jetzt in der AIO PROJECTION-Studie näher beleuchtet.

Kombiniert werden könnten Liquid-Biopsy-basierte Stratifizierungsansätze mit einem ganz neuen Therapiekonzept, nämlich der organoidbasierten Therapie. Dabei werden vor einer Operation patientenindividuelle Tumorzellen zu Organoiden herangezüchtet, um daran gezielt Medikamente vor einem klinischen Einsatz testen zu können. In der deutschen NeoPanOrga-Studie, soll untersucht werden, ob sich mit Hilfe dieses Ansatzes die Chemotherapie nach potenziell kurativer Resektion optimieren lässt.