Zwei Innovationen könnten vielen Patientinnen mit frühem HR-positiven Mammakarzinom in Zukunft wahrscheinlich eine Chemotherapie ersparen: Die flächendeckende Anwendung von Multigentests und eine dynamische Testung, erklärte Nadia Harbeck, vom Brustzentrums an der Frauenklinik der Universität München auf der DGHO-Jahrestagung.

Multigenassays zur Risikoeinschätzung

Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) akzeptieren die Genanalysen bereits seit 2015. Aktuell werden alle vier verfügbaren Tests gleichermaßen empfohlen. Seit diesem Jahr ist zumindest der Oncotype DX auf Basis der TAILORx-Studie auch erstattungsfähig [Sparano JA et al. N Engl J Med. 2018;379(2):111-21]. In der Studie erzielten adjuvante endokrine und chemoendokrine Therapien bei Frauen mit einem HR-positivem und HER2-negativen Mammakarzinom ohne axillären Lymphknotenbefall bei einem Recurrence Score (RS) von 1–10 nach dem 21 Gene umfassenden Test ähnliche Ergebnisse. Auch bei einem RS von 11–15 war die Chemotherapie nicht von Vorteil. Bei den postmenopausalen Frauen galt das auch noch bei einem intermediären Risiko im Gentest (RS 16–25).

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DGHO 2019

Die gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie fand in diesem Jahr in Berlin statt. Hämatologen und Onkologen trafen sich, um sich zu aktuellen Studien auszutauschen.

© Friederike Klein

In Deutschland werden allerdings etwas andere Grenzwerte verwendet. So wurde in der PlanB-Studie der Westdeutschen Studiengruppe bei einem HR-positivem und HER2-negativen Mammakarzinom mit nicht mehr als drei befallenen Lymphknoten prospektiv auf eine Chemotherapie verzichtet, wenn der RS ≤ 11 betrug [Gluz O et al. ESMO 2017; Abstr. LBA 11]. „Wir haben viel aus der Studie gelernt“, sagte Harbeck.

So wurden wahrscheinlich luminale Karzinome mit einem Ki67 ≥ 40 % unterschätzt — die Patientinnen hatten im Rahmen der Studie die deutlich ungünstigste Prognose. Zum anderen war die Fernmetastasen-freie 5-Jahres-Überlebensrate der Patientinnen ohne endokrine Therapie mit 97,8 % ebenso gut wie das der Patientinnen mit einem RS zwischen 11 und 25, die zusätzlich eine Chemotherapie erhalten hatten. Dagegen war der Verlauf bei Patienten mit hohem RS-Score sehr schlecht. „Hier brauchen wir neue Konzepte“, stellte Harbeck fest.

Es zeigte sich auch eine Assoziation zwischen Ki-67 und RS: Bei sehr niedrigem Ki-67 (RS 0–9) ist die Wahrscheinlichkeit eines niedrigen RS hoch, möglicherweise ist es dort nicht notwendig, einen Gentest zu machen. Umgekehrt ist bei sehr hohem Ki-67 (RS > 39) die Wahrscheinlichkeit für ein hohes Risiko nach dem Genassay extrem hoch [Gluz O et al. J Clin Oncol 2016;34(20):2341-9]. Wirklich wichtig zur Risikoabschätzung ist der Gentest bei den Ki-67-Werten dazwischen, erläuterte Harbeck.

Dynamisch Ki-67 Ansprechen testen

Nach ihrer Hochrechnung lassen sich mit den Multigenanalysen 20–30 % der Chemotherapien beim frühen HR-positiven Mammakarzinom einsparen. Noch mehr — vielleicht über 50 % — könnten eingespart werden, wenn ein dynamisches Konzept bei der Testung verfolgt würde, schätzt Harbeck. Bislang sei zu sehr der Fokus auf die Risikoanalyse und zu wenig auf das Therapieansprechen des Tumors geschaut worden. So zeigte sich im Rahmen der POETIC-Studie, dass die Ki-67-Level nach einer perioperativen Aromatasehemmer-Therapie mit der Prognose assoziiert sind [Robertson JFR et al. SABCS 2017;Abstr GS 1-03].

In der ADAPT-Studie wird in einem Subprotokoll ein dynamisches Konzept geprüft: RS und Ki-67 werden in einer ersten Biopsie bestimmt. Nach drei Wochen neoadjuvanter endokriner Therapie erfolgt die Operation oder eine erneute Biopsie. Die dann festgestellten RS und Ki-67-Werte werden für eine Risikostratifizierung verwendet: Bei niedrigem RS und maximal einem befallenen Lymphknoten ist die Therapie weiter rein endokrin. Bei intermediärem RS und maximal einem betroffenen Lymphknoten kann die endokrine Therapie bei gutem Ansprechen des Prolifertationsmarkers ebenfalls alleine weitergeführt werden. Bei höheren Ki-67-Werten erfolgt zusätzlich eine Chemotherapie wie auch bei Patienten mit hohem RS und mehr als einem befallenen Lymphknoten.

Erste Ergebnisse dieser Studie hofft Harbeck nächstes Jahr präsentieren zu können.