In einer Studie ist jetzt untersucht worden, wie chirurgische Fachärzte im Vergleich zu Kollegen aus anderen Disziplinen bei Therapieentscheidungen bezüglich von Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung im palliativen Setting abschneiden. Dazu wurden den Teilnehmern — 55 Chirurgen, 18 Onkologen, 13 Notfallmedizinern und 7 Palliativmedizinern aus der Region Sacramento — 4 Fallvignetten vorgelegt. Alle fiktiven Patienten sollten sich im fortgeschrittenen Krebsstadium IV befinden:

  • Fall 1: Patient mit tumorbedingtem Darmverschluss. Die in allen Gruppen am häufigsten gewählte Option war es, den Patienten primär nicht zu operieren, sondern nur dann, wenn sich unter konservativer Behandlung keine Besserung einstellen sollte (42 % Chirurgen und knapp 44 % der anderen Disziplinen). Für über 90 % aller Teilnehmer war in diesem Fall die Beschwerdefreiheit oberstes Therapieziel.

  • Fall 2: Mann mit metastasiertem Lungenkrebs und rezidivierenden gastrointestinalen Blutungen. Hier entschieden sich rund 56 % der Teilnehmer aus den medizinischen Disziplinen für eine Embolisation per Katheter, bei den Chirurgen wurde diese Maßnahme nur von 47 % empfohlen. Einen großen operativen Eingriff, sprich, eine Laparotomie mit Darmresektion, hätten bei den Chirurgen 29 % befürwortet, in den anderen Gruppen kein einziger (Kasten 1).

  • Fall 3: Brustkrebspatientin, die sich bei einem Motorradunfall einen Pneumothorax mit Lungen-Entrapment („gefangene Lunge“) zugezogen hatte. Die Chirurgen empfahlen zu 33 % eine Operation in Form einer videoassistierten thorakoskopischen Lobektomie (VATS) oder offenen Thorakotomie, die anderen Disziplinen zu 41 % die Einweisung in ein Hospiz. Die Heilung der akuten Erkrankung war für 34 % der chirurgischen Fachärzte ein wichtiges Therapieziel, dagegen nur für 27 % der anderen Disziplinen.

  • Fall 4: Mann mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom und symptomatischer Leistenhernie. 56 % der Chirurgen hätten sich für einen Eingriff unter Allgemeinanästhesie entschieden, 35 % für eine Operation mit Lokalanästhesie. Bei den Kollegen der anderen Disziplinen lagen die entsprechenden Anteile bei 33 bzw. 41 %.

Wie das Team um Sarah B. Bateni betont, stand der Grad der palliativmedizinischen Aus- bzw. Fortbildung in deutlichem Zusammenhang mit der jeweiligen Therapieempfehlung: Wer auf kein einschlägiges Wissen zurückgreifen konnte, wählte signifikant häufiger ein ausgedehntes operatives Vorgehen als Teilnehmer, die sich in mindestens 40 Stunden palliativmedizinisch fortgebildet hatten.

In der Studie wurde sich auf Ärzte einer Region in den USA beschränkt. Die Ergebnisse beruhen auf einer Fragebogenaktion mit relativ geringer Teilnehmerzahl und sind daher möglicherweise subjektiv gefärbt und von begrenzter Aussagekraft.

Fazit: Zumindest in den USA haben offenbar viele Chirurgen palliativmedizinische Wissenslücken. Um diese zu füllen, sei vor allem ein strukturiertes Training erforderlich, erklärten die Forscher. Nur so könnten Chirurgen den Patienten und ihren Angehörigen in schwierigen Entscheidungsprozessen am Lebensende angemessen beistehen.