Cannabinoide sind nicht nur in der Onkologie eine viel diskutierte Substanzgruppe. Unter anderem aufgrund ihrer antiemetischen und analgetischen Eigenschaften eignen sie sich zum Symptommanagement. Insgesamt bedarf es aber noch mehr Studien zu dem Thema.
Die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabinoiden in der Onkologie sind ein in Medien und Öffentlichkeit intensiv diskutiertes Thema. Evidenz besteht z. B. für den therapeutischen Effekt von Cannabis zur Linderung chronischer Schmerzen bei Erwachsenen und für orale Cannabinoide in der Therapie von Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen (CINV). Zur kurzzeitigen Verbesserung des Schlafs läge immerhin moderate Evidenz vor, berichtete Declan Walsh, Charlotte, NC/USA. Zu den Risiken gehöre eine mögliche Überdosierung, v. a. bei Kindern, kognitive Defizite beim akuten Einsatz, die Entwicklung von Psychosen und psychischen Symptomen und die Gefahr des Missbrauchs.
Wirkung auf zwei Rezeptorsysteme
Delta-9-THC (Tetrahydrocannabinol, THC) wirkt hauptsächlich an CB1-Rezeptoren in zentralen und peripheren Nervenzellen und beeinflusst Gehirn und Nerven sowie die Organe inklusive des Darms. Cannabidiol wirkt vor allem an CB2-Rezeptoren in B-Lymphozyten und den natürlichen Killerzellen des Immunsystems. Als Medikamente stehen Dronabinol (THC), Nabilon (ein vollsynthetische Derivat von Delta-9-THC) und Nabiximols, das THC und Cannabidiol enthält, zur Verfügung. Walsh wies darauf hin, dass bei Marihuanakonsum mehr als 400 Substanzen, mehr als 60 Cannabinoide sowie Karzinogene aufgenommen würden. Mit Dronabinol liegt ein Cannabinoid ohne karzinogene Wirkung vor.
Insgesamt beschrieb Walsh eine widersprüchliche Rolle von Cannabis in der Onkologie. Zum einen sei eine Antitumoraktivität (antiproliferative und zytotoxische Effekte in vitro und an Tiermodellen) zu beobachten, zum anderen erhöhe das Rauchen von Marihuana das Krebsrisiko (Lungenkarzinome). Das wichtigste Einsatzgebiet in der Onkologie sind die Symptomlinderung bei Tumorpatienten und die Linderung von Nebenwirkungen der Chemotherapie.
Cannabinoide verursachten keine Atemdepression und ihr Suchpotenzial sei geringer als etwa bei Alkohol und Nikotin, berichtete Walsh. Auch die Entzugssymptome seien milder als bei einer Therapie mit Opioiden. Bei moderaten Dosen sind die Nebenwirkungen nur mild. Die psychoaktive Wirkung an den CB1-Rezeptoren sei dosislimitierend. Ob Cannabinoide eine Einstiegsdroge sein könnten sei ungeklärt, so Walsh.
Walsh betonte die erwiesene Wirkung auf das endocannabinoide System. Für das Symptommanagement bei Tumorpatienten eignen sich Cannabinoide aufgrund der antiemetischen, appetitanregenden und analgetischen Eigenschaften. Walsh wies aber auch auf die insgesamt begrenzten klinischen Studien hin. Antitumorale Wirksamkeit sei bisher nur im Labor gezeigt oder in individuellen Fallberichten publik geworden.
Paul Farquhar-Smith, London, Großbritannien, beleuchtete die Rolle der Cannabinoide speziell in der Behandlung von Tumorschmerzen. Er verwies auf die Nebenwirkungen im ZNS und mögliche Langzeitnebenwirkungen, aber auch auf die Möglichkeit, dass in klinischen Studien eventuell bisher die falsche Cannabinoide getestet wurden und forderte mehr klinische Daten beim Menschen. Günstig seien anti-inflammatorisch wirksame transdermale Cannabinoide, da sie keine Nebenwirkungen am ZNS hätten.
Literatur
Bericht von der Jahrestagung der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) und the International Society of Oral Oncology (ISOO) vom 28. bis 30. Juni 2018 in Wien, Österreich
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Ortner, P., Pömmerl, M. Cannabinoide in der Onkologie noch nicht ausreichend erforscht. Im Focus Onkologie 21, 40 (2018). https://doi.org/10.1007/s15015-018-4229-y
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