figure 1

„Auch in Deutschland erleben Krebskranke empfindliche finanzielle Belastungen.“

Prof. Dr. Dr. Eva Winkler und Dr. Katja Mehlis Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

© Universitätsklinikum Heidelberg (2)

Die Frage nach den sozioökonomischen Folgen einer Krebserkrankung für die einzelnen Betroffenen hat erst in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfahren, und das besonders mit Blick auf die Situation von Patienten in den USA. Die bislang vorliegenden Daten aus US-amerikanischen Studien zeigen, dass Krebspatienten eine erhebliche finanzielle Belastung durch die Eigenbeiträge während der Behandlung erleben [Zafar SY et al. Oncologist. 2013;18(4):381-90]. Eine starke finanzielle Notlage nach der Krebsdiagnose scheint sogar die Mortalität zu erhöhen [Ramsey SD et al. J Clin Oncol. 2016;34(9):980-6]. Zudem bleibt die finanzielle Belastung über den Krankheitsverlauf bestehen und beeinflusst Überlebende nachhaltig [Zheng Z et al. J Natl Cancer Inst. 2015;108(5)]. Diese Daten sind aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitssysteme nicht gut auf die Situation in Deutschland übertragbar. Aber auch in Deutschland hat die finanzielle Selbstbeteiligung der Patienten an den Kosten mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 zugenommen. Daten zu subjektiv erlebter finanzieller Belastung der Krebspatienten infolge steigender Zuzahlungen und veränderter Möglichkeiten zur persönlichen finanziellen Absicherung, z. B. durch Erwerbstätigkeit, liegen bislang jedoch nicht vor.

Finanzielle Verluste belasten Krebspatienten zusätzlich zu ihrer Erkrankung

In einer laufenden Pilotstudie am nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) haben wir 247 Krebspatienten zu Veränderungen ihrer finanziellen Situation nach Diagnosestellung und Therapiebeginn befragt. Es zeigte sich, dass 81 % Mehrausgaben infolge ihrer Krebserkrankung haben, die meisten unter 200 € pro Monat. Bei 37 % der Befragten sind Einkommenseinbußen entstanden, die sich bei einem Drittel der Betroffenen auf 501–1.200 € pro Monat und bei einem Viertel auf mehr als 1.200 € pro Monat belaufen. Mithilfe multivariater Analysen konnte darüber hinaus festgestellt werden, dass hohe Einkommenseinbußen und/oder Mehrausgaben mit schlechterer Lebensqualität und höherer subjektiver Belastung (Distress) einhergehen [Mehlis K et al. Oncol Res Treat. 2018;41(suppl 1):VII–221; Witte J et al. Value Health. 2017;20(9):PCN249].

Die Ergebnisse belegen, dass Krebserkrankte auch in Deutschland empfindliche finanzielle Belastungen erleben: dabei sind weniger die Zuzahlungen als die Einkommenseinbußen gravierend. Die finanziellen Sorgen belasten die Patienten zusätzlich zu ihrer Krebserkrankung und schränken sie in ihrer Lebensqualität ein.

Um diese ersten Ergebnisse mit Blick auf den deutschen Versorgungskontext auf eine breitere Basis zu stellen, ist aus unserer Sicht zunächst ein validiertes Instrument zur Erfassung subjektiver finanzieller Belastung für den deutschsprachigen Raum vonnöten. Perspektivisch bedarf es dann gezielter Beratungs- und Lösungsansätze für Patienten mit besonders hohem Risiko für individuelle finanzielle Einbußen im Zuge einer Krebserkrankung.