Vor zehn Jahren hatten die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und das Institut für Community Medicine der Universität Greifswald ein Gutachten vorgestellt, das die Entwicklung der Krebsinzidenzen und -prävalenzen über die folgenden zehn Jahre auf Landkreisebene abschätzen sollte. Die Schätzungen lagen etwas hoch, gingen aber in die richtige Richtung. Jetzt werde an einer Aktualisierung gearbeitet, sagte Alexander Gebauer, Greifswald. Zur DGHO-Frühjahrstagung hatte er erste Hochrechnungen für das Jahr 2025 auf Bundeslandebene mitgebracht. Bezugsgröße ist vorläufig das Jahr 2014. Bis 2025 werde der Anteil der über 60-jährigen Männer besonders in den nordöstlichen und den südwestlichen Bundesländern um über 20 % steigen. Bei den Frauen wird für Bayern sogar ein Anstieg um über 30 % vorhergesagt.

Noch massiver steigt der Anteil der über 80-Jährigen: 2025 werden in Deutschland in der Altersgruppe „80 plus“ gut eine halbe Million Männer und knapp eine Million Frauen mehr unterwegs sein als im Jahr 2014. Das wird sich auch auf die Krebsinzidenzen auswirken. Den Greifswalder Hochrechnungen zufolge dürfte die absolute Zahl neudiagnostizierter Krebserkrankungen 2025 bei den Männern um 16 % und bei den Frauen um 12 % höher liegen als 2014. Für die Abschätzung der Prävalenzen haben die Forscher die Therapiefortschritte der letzten Jahre statistisch fortgeschrieben. Entsprechend fallen die Zuwächse höher aus als bei den Inzidenzen: Etwa 66.000 Männer und 40.000 Frauen dürften 2025 im Vergleich zu 2014 mehr mit einer Krebserkrankung leben, ein Plus von 10 % bei Männern bzw. 6 % bei Frauen.

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Bis 2025 wird der Anteil der Männer in der Alterskategorie „80+“ um 30 % steigen — mit Auswirkung auf die Krebsinzidenz.

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Kein Hinweis auf systematische Untertherapie im Alter

Carsten Bokemeyer, Hamburg, ging etwas genauer auf die Altersabhängigkeit von Therapiefortschritten ein. Insgesamt betreffe die in den letzten Jahren zu beobachtende Verbesserung der Krebsmortalität alle Altersklassen. „Der Rückgang der Mortalität bei den über 75-Jährigen ist aber etwas geringer.“

Das ist nicht überraschend, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Therapiequoten bei den sehr alten Patienten sinken. Da es gute medizinische und individuelle Gründe geben könne, sich gegen eine Maximaltherapie zu entscheiden, sei das nicht gleichbedeutend mit einer altersabhängigen Untertherapie, betonte Michael Hallek, Köln: „Wir haben in Deutschland insgesamt keinen Hinweis auf eine systematische Untertherapie im Alter“, so Hallek.

Klar sei, dass der Kommunikationsbedarf bei der Therapieentscheidung im Alter nicht sinke, betonte Bokemeyer: „Auch alte Menschen wollen bei der Behandlungsentscheidung mitreden.“ In diesen Gesprächen müsse es nicht nur um Effektivität und Toxizität von Therapien gehen, sondern auch um Fragen der allgemeinen Lebensqualität, des Aufwands, der mit Therapien verbunden ist, und auch der Kosten. Eine solche Herangehensweise erfordere immer, dass sich die Behandler umfassend mit dem Patienten, seiner Leistungsfähigkeit und seinem Umfeld auseinandersetzten.

Toxizität teilweise vorhersagbar

Prädiktive Faktoren für erhöhte Toxizität wurden in mehreren Studien untersucht. Das Alter alleine ist dabei nicht entscheidend. Wichtiger sind funktionelle und soziale Faktoren. So gehen eine Sturzanamnese, eine Hörminderung und eine stark verminderte Gehstrecke mit einem höheren Risiko für Toxizität einher, genauso Hilfsbedürftigkeit im Alltag und ein eingeschränktes Sozialleben [Hurria A et al. J Clin Oncol. 2011; 29(25):3457-65]. In einer deutschen Kohorte konnten viele dieser Faktoren jetzt bestätigt werden (s. Interview).

Dass es bei den Therapieentscheidungen im Alter nicht zwangsläufig um eine Entweder-oder-Entscheidung gehen muss, hat z. B. die FOCUS2-Studie illustriert, in der Patienten mit kolorektalem Karzinom randomisiert unterschiedliche platin-/5-FU-basierte Chemotherapieschemata erhalten hatten [Seymour MT et al. Lancet. 2011;377 (9779):749-59]. Eine zunächst auf 80 % reduzierte Dosis mit Option zur Steigerung erwies sich bei älteren, funktionell eingeschränkten Patienten als gangbare Option.