Brain-Computer-Interfaces sind eine neue Option für Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen. Kinder werden bei diesem Fortschritt jedoch bislang fast völlig vernachlässigt. Neuropädiaterinnen und Neuropädiater sollten aktiv werden.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass mehr als 100 Millionen Kinder von mittelschweren bis schweren neurologischen Beeinträchtigungen betroffen sind. Brain-Computer-Interfaces (BCI) sind eine potenzielle Lösung, um die Gehirnaktivität nichtinvasiv erfassen zu können und die Absicht des Benutzers in die Steuerung von Geräten zu übersetzen. Eine Person mit Locked-in-Syndrom kann BCI zum Beispiel nutzen, um ihren Rollstuhl zu fahren, eine Textnachricht zu senden, ein Videospiel zu spielen oder ein Lied zu komponieren.

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Bislang wurden nur wenige auf Kinder bezogene BCI-Studien publiziert.

Inzwischen kommen bei schwer beeinträchtigten Erwachsenen auch implantierbare BCI-Systeme zur Anwendung. Drahtlose, implantierbare Sensoren mit enormer Kapazität stehen kurz vor der Einführung. Trotz dieser Fortschritte wurde - soweit bekannt - noch keinem Kind ein BCI-Gerät implantiert. Die Technologien machen rasante Fortschritte, aber die Pädiatrie ist so gut wie außen vor. Eine PubMed-Suche fand mehr als 9.400 Artikel über BCI, aber weniger als 2 % bezogen sich auf Kinder. Auf ClinicalTrials.gov sind nur vereinzelt pädiatrische BCI-Studien registriert. Die Konventionen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und über die Rechte des Kindes räumen neuartigen Technologien zur Verbesserung des Lebens von behinderten Kindern besondere Priorität ein.

Kirton A. Moral Imperative to advance brain-computer interfaces for children with neurological disability. JAMA Pediatrics. 2023;177:751-2

Kommentar

Die Bemühungen um BCI konzentrieren sich derzeit auf Erwachsene mit amyotropher Lateralsklerose, Rückenmarksverletzungen und Hirnstamminfarkt. Personen mit Locked-in-Symptomen, die eine schwere motorische Behinderung, aber eine normale Gehirnentwicklung und -struktur aufweisen, kommen für BCI infrage. Eine derartige Hirnarchitektur erleichtert BCI-Paradigmen. Assistive Technologien wie Augensteuerung, Schalter sowie unterstützende und alternative Kommunikationssysteme helfen einigen Nutzern, bestimmte Ziele zu erreichen. Etablierte Netzwerke von Fachleuten, Unterstützungssystemen und Industrie, die zur Förderung von Hilfstechnologien aufgebaut wurden, stellen eine vielversprechende Plattform dar. Ein pädiatrisches BCI-Netzwerk mit Ursprung in Kanada ist zunehmend weltweit aktiv [Jadavji Z et al. Cureus. 2022;14:e26215]. Trotzdem werden Kinder bei BCI bisher weitgehend ignoriert. Ein Faktor ist die Komplexität der unterschiedlichen Krankheiten, die verschiedenen Ursachen unterliegen und mit einer komplizierten neurologischen Entwicklungsphysiologie einhergehen. Weitere Hindernisse sind neben der Finanzierung das Fehlen Pädiatrie-spezifischer Technologien, begrenzte altersspezifische neurophysiologische Daten, die für BCI-Paradigmen relevant sind sowie ein noch unzureichendes Verständnis dessen, was für betroffene Kinder und Familien am wichtigsten ist. Zu den Faktoren, die für Investitionen in BCI in der Pädiatrie sprechen, gehören die hohe Prävalenz und die globale Krankheitslast infolge jahrzehntelanger Behinderungen, die Verwirklichung der Rechte des Kindes, einschließlich desjenigen auf Lernen und Spielen, sowie die bemerkenswerte Plastizität des jungen Gehirns, bei der durch ein frühzeitiges Eingreifen lebenslange Funktionen positiv beeinflusst werden können. Es besteht eine kritische Lücke zwischen den exponenziellen Fortschritten bei den translationalen BCI-Technologien und Kindern, die davon profitieren könnten. Wir müssen beeinträchtigte Kinder und ihre Familien stärker einbeziehen, um ihre Bedürfnisse und Hoffnungen zu verstehen und klinisch relevante Fortschritte zu erzielen. Kinderärztinnen und Kinderärzte, die sich um diese Familien kümmern, müssen über das Potenzial von BCI informiert sein.