Atropin-Augentropfen sollen die Progression einer Myopie bremsen - aber über die richtige Dosis scheiden sich die Geister. Nun zeigt die westaustralische ATOM-Studie, dass wohl die Irispigmentierung einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie die Substanz dosiert werden muss.

Die progressionsmindernde Therapie mit hochverdünntem Atropin ist seit ein paar Jahren auch in Deutschland in vielen Kliniken und Praxen fester Bestandteil des Myopiemanagements bei Kindern, wie Professor Wolf A. Lagrèze von der Augenklinik der Universität in Freiburg beim diesjährigen Pädiatrie Update erklärte. Die Grundlage dafür legte 2014 die große klinische ATOM-Studie aus Singapur, gefolgt von der im Jahr 2019 veröffentlichten LAMP-Studie aus Hongkong. In beiden Untersuchungen bestätigte sich die Wirksamkeit niedrig dosierter Atropin-Augentropfen, wobei gemäß LAMP-Studie die Konzentration von 0,05 % bei gleichen, aber insgesamt geringen Nebenwirkungen wirksamer sein soll als 0,01 %.

Suche nach der richtigen Dosis

Die Ergebnisse der 2022 publizierten westaustralischen (WA) ATOM-Studie lassen aus Sicht des Freiburger Augenarztes allerdings vermuten, dass die Dosierung womöglich individuell angepasst werden muss. Zwar bestätigte sich auch in dieser Erhebung, in der Kinder placebokontrolliert mit 0,01 % Atropin behandelt worden waren, ein progressionsmindernder Effekt, doch es profitierten nur kaukasische Kinder europäischen Ursprungs mit hellen Irides, dunkel pigmentierte asiatische Kinder nicht. "Dennoch erreichte der progressionsmindernde Effekt bezogen auf das sphärische Äquivalent im Vergleich zu Placebo im ersten Jahr 44 %, schmolz allerdings im zweiten Jahr auf 17 %." Ein Rückgang der Effektgröße im zweiten Jahr sei jedoch, wie der Experte betonte, nichts Ungewöhnliches und lasse sich in fast allen Studien finden. Für die WA-ATOM-Studie werde als Ursache des Rückgangs die hohe Drop-out-Rate in der Placebogruppe diskutiert.

Ebenfalls ein von der Augenfarbe abhängiger Effektgröße war in der irischen MOSAIC-Studie zu beobachten, deren Ergebnisse 2022 auf der Tagung der European Paediatric Ophthalmological Society in München erstmals vorgestellt wurden. Der progressionsmindernde Effekt betrug nach zwei Jahren Therapie mit 0,01 %igen Atropin-Augentropfen bei Kindern mit blauen Augen 33 %, bei Kindern mit grünen Augen 23 %. Kinder mit braunen Augen profitierten nicht.

"Je dunkler die Augen, desto höher die Atropinkonzentration

"Sehr wahrscheinlich müssen wir die Atropindosierung der Irispigmentierung anpassen. Ganz nach dem Motto: Je dunkler die Augen, desto höher die Konzentration." Immerhin sei schon lange bekannt, dass Melatonin Pharmaka im Auge bindet. Lagrèze geht davon aus, dass die individuelle optimale Atropindosis zwischen 0,01 % und 0,05 % liegt, und empfiehlt, bei den Therapiekontrollen den Fokus auf die Nebenwirkungen zu legen, die sich in fast allen Fällen auf eine induzierte Mydriasis beschränke.

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Das Melatonin im Auge kann pharmazeutische Substanzen binden.

Deutsche Atropinstudie AIM

Abschließend verwies der Augenarzt auf die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte, randomisierte AIM-Studie, an der Kindern im Alter zwischen acht und zwölf Jahren teilnehmen können. Die Daten sollen Aufschluss über Wirksamkeit und Sicherheit von 0,01 % und 0,02 % Atropin-Augentropfen im Vergleich zu Placebotropfen in einer nicht asiatischen Population geben, so der Experte. "Eine solche Studie ist dringend notwendig, um den Nutzen des niedrig dosierten Atropins bei Kindern zu belegen und klinische Richtlinien zu entwickeln." Die teilnehmenden Zentren sind unter www.aim-studie.de gelistet.

Pädiatrie Update, 22. April 2023, Berlin/digital