Bei einer anaphylaktischen Reaktion im Zweifelsfall einmal zu oft als einmal zu wenig den Adrenalin-Autoinjektor einsetzen - das ist einer der wichtigsten Tipps eines britisch-australischen Forschungsteams, um Todesfälle im Rahmen einer allergischen Reaktion zu verhindern. Insgesamt wurden sieben wirksame Verhaltensregeln aufgestellt.

Jeder Todesfall im Zusammenhang mit einer Lebensmittelallergie ist eine Tragödie, umso mehr als die meisten der bekannten Fälle sehr wahrscheinlich hätten verhindert werden können. In ihrer aktuellen Publikation rekapituliert ein britisch-australisches Forschungsteam um Dr. Ru-Xin Foong vom Evelina London Children's Hospital eine typische Situation, die sich in Großbritannien zweimal innerhalb weniger Jahre ereignet hat:

2015 besuchte eine Jugendliche einen Schnellimbiss und bestellte einen Chickenburger. Dass sie an einer Milchallergie leidet, teilte die 18-Jährige dem Personal zwar mit, der Hinweis wurde jedoch offenbar ignoriert. Das Mädchen bekam einen in Buttermilch marinierten Burger serviert. Daraufhin entwickelte sie eine schwere anaphylaktische Reaktion, an der sie innerhalb kurzer Zeit verstarb. Das Gleiche passierte zwei Jahre später einem gleichaltrigen Jungen. Wieder war es ein mit Buttermilch zubereiteter Burger und wieder kam es zu einem anaphylaktischen Schock, an dem der Patient verstarb.

Das Risiko fataler Verläufe minimieren

Dass Missverständnisse im Zusammenhang mit Nahrungsmittelallergien vorkommen, lässt sich wahrscheinlich nicht vermeiden. Entscheidend sei jedoch, betonen Foong et al., ob die Betroffenen und ihre Eltern, aber zum Beispiel auch Lehrerinnen und Erzieher auf den Ernstfall vorbereitet und in der Lage sind, schnell und richtig zu handeln. Das Forscherteam hat sieben praktische Empfehlungen zusammengestellt, mit denen sich das Risiko fataler Verläufe aus ihrer Sicht deutlich senken lässt:

  1. 1.

    Schon beim ersten Anzeichen einer anaphylaktischen Reaktion oder bei jeglichen Atembeschwerden oder Bewusstseinsstörungen den Adrenalin-Autoinjektor (AAI) einsetzen, und zwar bevor man den Notruf wählt.

  2. 2.

    Den AAI auch in Zweifelsfällen anwenden. Die enthaltene Epinephrindosis ist auch bei milden Reaktionen ohne Anaphylaxie in der Regel ungefährlich. Laut Foong et al. ist es "besser, den AAI zu nutzen, obwohl er nicht benötigt wird, als ihn nicht zu nutzen, wenn die Betroffenen ihn brauchen."

  3. 3.

    Wenn die Situation sich nicht innerhalb von fünf Minuten nach Gabe des ersten Fertigpens deutlich entspannt, den zweiten Pen einsetzen (den man immer dabeihaben sollte). Auf keinen Fall länger warten. Die zweite Dosis auch in unklaren Fällen geben.

  4. 4.

    Wenn man den Notruf kontaktiert, dem Gesprächspartner klarmachen, dass es sich um eine Anaphylaxie handelt und dass die Situation lebensbedrohlich ist.

  5. 5.

    Der/die Betroffene soll nicht aufstehen. Liegen mit angehobenen Beinen verbessert die Durchblutung; damit stellt man sicher, dass auch das Herz ausreichend versorgt wird.

  6. 6.

    Aktivitäten, die die Symptome verschlechtern könnten, vermeiden: keinen Sport machen; nicht in öffentliche Verkehrsmittel oder in ein Flugzeug einsteigen; keinen Alkohol trinken, keine Rauschmittel konsumieren, wenn man kürzlich eine allergische Reaktion hatte - all dies kann die Situation verschlimmern.

  7. 7.

    Immer Hilfe holen, auch wenn man sich schon viel besser fühlt. Wenn ein AAI eingesetzt wurde, stets den Rettungsdienst rufen oder sich in eine Notaufnahme begeben; es besteht das - wenn auch geringe - Risiko einer Spätreaktion!

Immer einen zweiten Pen in der Tasche haben

Foong und ihr Team weisen darauf hin, dass die meisten Kinder und Jugendlichen mit Nahrungsmittelallergie auch an Asthma leiden. Inwieweit zwischen beidem ein Zusammenhang bestehe, sei noch nicht ganz geklärt. Da jedoch bei den tödlich verlaufenden Anaphylaxien meist ein Atemversagen ursächlich ist, liege es nahe, gerade bei Personen mit einer Nahrungsmittelallergie auf eine gute Asthmakontrolle zu achten.

In mehreren publizierten Fallserien, so Foong et al., sei der tödliche Ausgang mit dem verzögerten Einsatz des AAI in Verbindung gebracht worden. Die Betroffenen hätten entweder den Pen nicht zur Hand gehabt oder es habe Unklarheiten zur Anwendung gegeben. All dies könne wertvolle Zeit kosten, die man sich durch wiederholtes Training sparen könne (siehe Behandlungspfad Anaphylaxie nach Seite 58).

Die Empfehlung, stets zwei Pens mit sich zu führen, beruht laut Foong und et al. auf Studien, die zeigen, dass etwa 10 % der anaphylaktischen Reaktionen einer Behandlung mit mehr als einer Epinephrindosis bedürfen. Das Team nennt außerdem wichtige Kofaktoren, die zu einem erhöhten Risiko eines anaphylaktischen Schocks beitragen. Dies seien zum einen der Versuch, den Betroffenen in eine aufrechte Position zu bringen, was die Hypotonie verschlimmere, und der zeitgleiche Konsum von Alkohol oder Freizeitdrogen.

Basierend auf: Foong RX et al. Preventing food allergy fatalities. Arch Dis Child. 2023;archdischild-2022-324911