Junge Frauen mit ADHS haben ein höheres Risiko für Depressionen als diejenigen ohne - die Einnahme oraler Kontrazeptiva scheint dies noch einmal zu erhöhen. Daher sollten bei jungen Frauen mit ADHS gegebenenfalls andere Verhütungsmittel bevorzugt werden.

Um der Frage nachzugehen, ob Frauen mit ADHS vermehrt an Depressionen leiden, wenn sie orale Kontrazeptiva einnehmen, untersuchten Forscher Daten von 29.767 weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen mit der Diagnose ADHS (15-24 Jahre) aus einem schwedischen Register und verglichen sie mit Daten von 763.146 weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen ohne ADHS.

Weibliche Jugendliche und junge Frauen mit ADHS haben ein um das Dreifache erhöhtes Risiko, an Depressionen zu erkranken als diejenigen ohne ADHS. Nehmen sie orale Kontrazeptiva ein, so erhöht sich das Risiko einer Depression auf das Sechsfache im Vergleich zu weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen ohne ADHS, die orale Kontrazeptiva nutzen. Werden andere Möglichkeiten zur Empfängnisverhütung genutzt, so ist das Risiko für Depressionen bei den ADHS-Betroffenen nicht zusätzlich erhöht.

Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass junge ADHS-Patientinnen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, eine Depression zu entwickeln als Gleichaltrige ohne die Diagnose ADHS. Sie empfehlen daher, auf andere Kontrazeptiva auszuweichen, um die Compliance für die Antikonzeption nicht zu gefährden.

Lundin C et al. Hormonal contraceptive use and risk of depression among young women with attention-deficit/hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 2022;S0890-8567(22)01894-9

Kommentar

Hormonell bedingte Einflüsse auf die Stimmungslage von weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen mit ADHS sind noch wenig untersucht. Erste Daten weisen darauf hin, dass sie häufiger unter prämenstruellen und postpartalen Stimmungsschwankungen, dysfunktionalen Blutungen, Dysmenorrhö und Endometriose leiden als ihre Altersgenossinnen ohne ADHS [Dorani F et al. J Psychiatr Res. 2021;133:10-5]. Studien belegen auch, dass Frühschwangerschaften häufiger bei Mädchen mit einer ADHS auftreten als bei solchen ohne [Pohlabeln H et al. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2017; 26(8):957-67]. Die Ursachen hierfür sind multifaktoriell; das geringer ausgeprägte Selbstwertgefühl, eine erhöhte Risikobereitschaft, die erhöhte Impulsivität, das "Vergessen" der regelmäßigen Einnahme von Antikonzeptiva sowie das sozioökonomische Umfeld spielen dabei eine große Rolle. Ursächlich könnte aber auch eine erniedrigte Compliance bei der regelmäßigen Einnahme der Antikonzeptiva sein - bedingt durch die Nebenwirkung einer depressiven Stimmungslage. Dies sollte in der Beratung der Mädchen und jungen Frauen mit einer ADHS unbedingt berücksichtigt werden.