Die Impfung gegen Meningokokken B induziert als Nebeneffekt auch einen gewissen Schutz vor Gonorrhö. Nach vollständiger Impfung mit zwei Dosen beträgt die Effektivität 40 %. Gerade hinsichtlich der zunehmenden Resistenzentwicklung gegen Gonokokken ist der Zusatznutzen der Impfung relevant.

Die Gonorrhö ist die zweithäufigste meldepflichtige, sexuell übertragbare Infektion in den USA. Die Inzidenz stieg seit 2009 von 98,1 auf 179,1 pro 100.000 im Jahr 2018 an. Besonders deutlich war der Anstieg in größeren Städten, bei unter 24-Jährigen sowie ethnischen Minderheiten. So betrug die Inzidenz zum Beispiel in Philadelphia 472,2 pro 100.000. Aktuell wird die unkomplizierte Gonorrhö mit einer intramuskulären Einmalgabe von Ceftriaxon behandelt. Weltweit wird jedoch eine Zunahme von resistenten Stämmen von Neisseria gonorrhoeae beobachtet, die zukünftige Behandlungsmöglichkeiten erschweren.

Zur Prävention einer Gonorrhö steht derzeit kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung. Allerdings hat der Vier-Komponenten-Impfstoff gegen Meningokokken B (MenB-4C) in Studien eine gewisse Protektion gegen Gonorrhö gezeigt. Der Grund hierfür dürfte in einer genetischen Ähnlichkeit beziehungsweise Homologie von 80-90 % der äußeren Membranvesikel von Meningokokken und Gonokokken liegen, was eine Kreuzprotektion bedingt. Seit 2015 wird die Impfung gegen Meningokokken in den USA für alle 16- bis 23-Jährigen empfohlen. Dies ermöglicht jetzt Untersuchungen, inwieweit es durch die Anwendung des MenB-4C-Impfstoffs neben der Prävention der Meningokokken B auch zur Reduktion von Infektionen durch Gonokokken gekommen ist.

In einer Studie des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wurden alle laborbestätigten Fälle von Gonorrhö und Chlamydia trachomatis in Philadelphia und New York aus den Jahren 2016 bis 2018 ausgewertet. Alle so identifizierten Fälle wurden mit dem Impfregister hinsichtlich einer verabreichten MenB-4C-Impfung abgeglichen. So konnte auch der Effekt einer vollständigen oder partiellen Impfung hinsichtlich der Protektion gegen Gonorrhö differenziert untersucht werden.

Insgesamt wurden 167.706 Fälle erfasst, von denen 18.099 eine Gonokokken-, 124.876 eine Chlamydien- und 24.731 eine Ko-Infektion (Gonokokken plus Chlamydien) waren. 109.737 Infektionen konnten mit dem Impfregister abgeglichen werden. Davon waren 7.692 Personen gegen MenB-4C geimpft, von denen 4.032 (52,4 %) eine Dosis MenB-4C, 3.596 (46,7 %) zwei Dosen und 64 (< 0,1 %) drei Dosen erhalten hatten. Im Vergleich zu Personen, die nicht geimpft waren, betrug die Protektion bei vollständiger Impfung 0,60 und bei partieller Impfung 0,74. Die Effektivität der MenB-4C-Impfung gegen Gonorrhö betrug somit bei vollständiger Impfung 40 % und bei partieller Impfung 26 %.

Abara WE et al. Effectiveness of a serogroup B outer membrane vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea: a retrospective observational study. Lancet Infect Dis. 2022;22(7):1021-9

Kommentar

Die Studie demonstriert, dass der MenB-4C-Impfstoff neben der bekanntlich hohen Wirksamkeit gegen Meningokokken B als Nebeneffekt auch eine deutliche Effektivität gegen Gonokokken induziert. Zudem zeigt sich erneut, welchen Vorteil Impfregister haben, wie sie in anderen Ländern (außer Deutschland) bereits existieren. Anders als in den USA ist die Gonorrhö in Deutschland nicht meldepflichtig. Daher fehlen aktuelle Daten zur Inzidenz. In Deutschland wird die Impfung gegen Meningokokken B, anders als in UK und den USA, bisher nicht generell empfohlen. Der Zusatznutzen durch einen gewissen Schutz auch vor Gonorrhö wäre ein weiterer Grund dafür, die Notwendigkeit der Einführung der Meningokokken-B-Impfung neu zu betrachten.