? Die einfühlsame Mutter eines aufgeweckten, dreijährigen Buben bei der Vorsorge: "Du hast alles ganz toll gemacht! Der Doktor will aber jetzt noch dein Muttermal anschauen! Darf ich dir jetzt deine Hose ausziehen?" Wie zu erwarten kam als prompte Antwort: "Nein!" Ein hilfloser Blick auf den Kinderarzt: "Was soll ich jetzt tun? Er folgt nicht! Auch zu Hause, nie! Können Sie ein Machtwort sprechen?"

!Prof. Dorsch: Diese Art Machtwort ist nicht die Aufgabe des Kinderarztes. Der Machtkampf ging aber gut aus: Der Kinderarzt stellte klar, dass die Haut untersucht werden muss, die Mutter ihrerseits, dass sie sich Sorgen mache, aber gerne etwas warten könne. Der kleine Prinz war mit seinem vorläufigen Sieg zufrieden. Da die Mutter standhaft blieb, kam er der zweiten Aufforderung ohne besonderen Widerstand nach. Die Episode war Anlass für ein längeres Gespräch: Im Umgang miteinander lassen sich drei Arten von Vereinbarungen unterscheiden:

  1. 1.

    Eiserne Regeln sind nicht verhandelbar, müssen von allen eingehalten werden, bekannt und verständlich erklärt sein. Übertretungen sind zu benennen und die daraus entstehenden Konflikte zu lösen. Schon aus Gründen der Zeitersparnis sollte es möglichst wenige Eiserne Regeln geben. Manche Eltern äußern ihren Kindern gegenüber täglich 200 und mehr Gebote, ohne sie zu erklären und ihre Einhaltung zu kontrollieren. Selbst gutwillige Erwachsene wären davon überfordert.

  2. 2.

    Freies Handeln ist möglich, solange die Freiheit der Partner nicht eingeschränkt wird. Das sagt sich einfach, aber jede Mutter, jeder Vater und jede Lehrkraft kann ein Lied davon singen, wie schwer es ist, Kindern den Freiraum zu gönnen, den sie für ihre Entwicklung brauchen. Erfahrene Eltern und erfolgreiche Lehrkräfte wissen, wie wichtig es ist, dass Kinder und Jugendliche lernen dürfen, ihre eigenen Wege zu gehen, mit allen Irrtümern, aber auch den Erfolgen, auf die sie, weil eigenständig erzielt, stolz sein können.

  3. 3.

    Ansonsten, also meistens, heißt es: Verhandeln, verhandeln, verhandeln! Was unter Erwachsenen gilt, gilt auch im Umgang mit Kindern! Beide Parteien müssen Standpunkt und Interessen der jeweils anderen verstehen und gemeinsam eine Lösung finden. Natürlich wird man als Elternteil dem Alter der Kinder Rechnung tragen müssen. Kleinkinder müssen das Gefühl haben, ernst genommen zu werden. Der Aufwand, gute Argumente zu finden und zu überzeugen, statt Befehle zu erteilen, zahlt sich langfristig aus. Kinder, die immer nur Befehle empfangen, bleiben dumm!

!Prof. Zierer: Regeln sind der Rahmen, der Freiheit erst ermöglicht. Sie einzuführen und für ihre Einhaltung zu sorgen, ist aus pädagogischer Sicht also unverzichtbar. Regeln müssen gut begründet sein, aber nicht jede Regel muss diskutiert werden. Denn nicht selten fußen sie auf der Verantwortung für die Entwicklung des Kindes. Wer eine Regel bricht, muss mit Konsequenzen rechnen. Wer diese Konsequenz vermissen lässt, wird nicht ernst genommen.

Strafen stehen für viele in Verruf, aber spätestens dort, wo das Fehlverhalten des einen die Freiheit des anderen massiv verletzt, sind Konsequenzen unausweichlich - wir sprechen nicht von körperlicher oder seelischer Gewalt, die natürlich unzulässig sind. Bestes Beispiel hierfür ist Mobbing. Manche Schulen beschränken sich auf folgenlose Beschwichtigungen und lassen Opfer und Täter im Stich.

Wie können also Strafen dennoch pädagogisch wirksam sein? Strafen können entweder eine unangenehme Folge auf ein Fehlverhalten (z. B. Nachsitzen) oder ein Ausbleiben einer angenehmen Tätigkeit (z. B. Ausschluss vom Sportunterricht) sein. Sie dürfen nicht beliebig sein, sondern müssen begründet erfolgen, angemessen sein und in einem zeitlichen Zusammenhang zum Fehlverhalten stehen. Ohne Vorwarnung und Erklärung zu strafen, zerstört Vertrauen und verhindert die Einsicht in das eigene Fehlverhalten. Bei der gemeinsamen Einführung von Regeln ist es sinnvoll, auch gleich mögliche Konsequenzen eines Regelverstoßes zu besprechen.