Experten der Onkologie, Gesundheitspolitik sowie der Kassen mahnen angesichts sinkender HPV-Impfzahlen in Deutschland, stärker die Präventions-Werbetrommel zu rühren.

Wie in anderen Versorgungsbereichen hat die COVID-19-Pandemie auch bei der Prävention in puncto humane Papillomviren (HPV) deutlich ihre Spuren hinterlassen. So sank die Erstimpfungsquote bei Mädchen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um über 14 %. Bei den Jungen war es ein Rückgang um rund 9 %. Das zeigt eine Sonderanalyse zum Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit anlässlich des Welt-HPV-Tages am 4. März.

"Der deutliche Rückgang der HPV-Erstimpfungen bei Kindern und Jugendlichen in der COVID-19-Pandemie ist ein Alarmsignal", ordnet Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, die Ergebnisse ein. Die deutschen Daten untermauern die Empfehlungen der wissenschaftlichen Chefberater der EU-Kommission. In ihrem aktuellen Gutachten fordern sie im Sinne einer stärkeren onkologischen Prävention in der gesamten EU unter anderem eine erhöhte Inanspruchnahme von HPV-Impfungen bis zum Alter von 15 Jahren. Diese sei angesichts der angestrebten Eradikation des Zervixkarzinoms quasi alternativlos.

Zervixkarzinom vierthäufigste Krebsart bei Frauen

Professor Harald zur Hausen, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), verweist auf die bereits erzielte wissenschaftliche Evidenz. "Ich freue mich sehr darüber, dass nun mehr und mehr Daten die Wirksamkeit der HPV-Impfung belegen, nicht nur für Krebsvorstufen, sondern auch für Gebärmutterhalskrebs. Ich wünsche mir, dass diese gute Nachricht noch deutlich mehr Eltern davon überzeugt, ihre Kinder gegen krebserregende HPV impfen zu lassen", wird zur Hausen in einer DKFZ-Mitteilung zitiert.

2008 hat zur Hausen den Nobelpreis für seine Entdeckung bekommen, dass HPV Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Er erinnert daran, dass das Zervixkarzinom weltweit noch immer die vierthäufigste Krebsart bei Frauen sei. Insbesondere in ärmeren Ländern seien die Fallzahlen teilweise noch immer skandalös hoch. "Die Impfung kann nun einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Frauen vor Krebs zu schützen oder Gebärmutterhalskrebs sogar zu eliminieren", mahnt zur Hausen.

Impfquote bei Jungen deutlich unter der bei Mädchen

Kassenchef Storm geht mit zur Hausen d'accord, betont aber auch den unmittelbaren Benefit der HPV-Impfung für die betroffene Zielgruppe: "Die HPV-Impfung schützt junge Menschen vor Krebserkrankungen. Sie ist wichtig und richtig. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir müssen Eltern bei diesem Thema sensibilisieren und aufklären, um die Gesundheit der zukünftigen Generation zu schützen."

Für die Sonderanalyse des Dienstleisters Vandage und der Universität Bielefeld wurden anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 385.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von neun bis 17 Jahren untersucht, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 und 2020.

Die Daten zeigen, dass die Erstimpfungsquote bei Jungen nahezu das Niveau der Mädchen erreicht hat. So erhielten 2020 11 % der Jungen im Alter zwischen neun und 17 Jahren eine HPV-Impfung. Bei den Mädchen waren es 12 %. Trotzdem liegt die Gesamt-Impfquote der Jungen laut Kasse deutlich unter der Quote der Mädchen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts betrug der Anteil vollständig gegen HPV geimpfter Mädchen Ende 2019 rund 47 %, während lediglich 5 % aller Jungen vollständig geimpft waren - die Daten beziehen sich auf 15-Jährige, Geburtsjahr 2004. Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine HPV-Impfung für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen.

"Alle sind aufgefordert, die Impfung nahezubringen"

Vision Zero, ein Zusammenschluss namhafter Vertreter aus Wissenschaft, Medizin, Medien, Stiftungen, Verbänden sowie forschender Industrie, ruft dazu auf, ein breites gesellschaftliches Bündnis für eine höhere HPV-Impfquote zu schmieden. "Durch HPV verursachter Krebs und seine Vorstufen sowie entstellende Genitalwarzen sind fast alle durch die sehr gut verträgliche und sehr wirksame Impfung vermeidbar", betont Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Er nimmt auch die niedergelassenen Kollegen in die Pflicht: "Ärztinnen und Ärzte und alle, die Zugang zu Eltern und Kindern ab neun Jahren haben, sind aufgefordert, diesen die HPV-Impfung nahezubringen."