Die optimale Therapie bei funktionellem Bauchschmerz oder Reizdarmsyndrom im Kindesalter ist bis dato noch nicht gefunden. In einer kleinen Studie aus den USA konnte nun ein offen verabreichtes Placebo erstaunlich gut helfen.

Eigentlich ging man immer davon aus, dass es einer Verschleierung oder Täuschung bedarf, um eine Placeboreaktion hervorzurufen. Neuere Studien an Erwachsenen deuten jedoch darauf hin, dass auch offene Placebobehandlungen effektiv sein können. Dies wurde nun auch bei Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen oder Reizdarm geprüft - mit Erfolg. Dr. Samuel Nurko, Kindergastroenterologe am Boston Children's Hospital, USA, und seine Kollegen haben dazu zwischen 2015 und 2018 eine randomisierte Cross-over-Studie durchgeführt. Aufgenommen wurden Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren. Das primäre Outcome war der durchschnittliche tägliche Schmerz-Score. Der sekundäre Endpunkt war die Verwendung eines Notfallmedikaments (Hyoscyamin 0,125 mg), gemessen an der Anzahl der eingenommenen Tabletten.

Placebo mutet wie ein "echtes" Medikament an

Das Studiendesign sah zuerst eine einwöchige Beobachtungphase vor, in der die Studienteilnehmer ihre Schmerzsymptome in ein Tagebuch eintragen sollten. Schmerzen wurden anhand einer visuellen Analogskala von 0 (kein Schmerz) bis 100 notiert. Danach wurden die 30 Probanden zu gleichen Teilen in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 durchlief die Kontrollphase, in der sie lediglich ein Schmerztagebuch führen sollten, mit spezifischen Fragen nach Wohlbefinden, Symptomen sowie Stuhlgang. Sie erhielten zudem ein Notfallmedikament. Gruppe 2 begann mit der offenen Placeboeinnahme, nachdem die Teilnehmer über das Prinzip von Placebos und ihren Effekt aufgeklärt worden waren. Schmerztagebuch und Notfallmedikament kamen auch hier zum Einsatz. Nach drei Wochen wurden die Gruppen getauscht.

Das Placebo sah wie ein typisches Medikament für Kinder aus. Es enthielt eine inerte Suspension mit 85 % Saccharose, Zitronensäure, gereinigtem Wasser und Methylparaben als Konservierungsmittel. Die Patienten wurden angewiesen, zweimal täglich 1,5 ml mit einer 3-ml-Plastikspritze einzunehmen. Es ist nicht klar, welches die beste Form von Placebo ist, schreiben Nurko et al. "Wir haben versucht, die Wirkung zu verstärken, indem wir Medikamentenflaschen und ein von der Apotheke erstelltes Etikett, ähnlich wie bei einem Standardrezept, verwendet haben. Und wir haben eine Dosis gewählt, die eine gewisse Messung erfordert."

Weniger Schmerzen mit Placebo

Die durchschnittlichen Schmerz-Scores waren während der Placebophase signifikant niedriger als während der Kontrollphase (39,9 vs. 45). 21 der 30 Patienten (70 %) berichteten über weniger Schmerzen während der offenen Gabe von Placebo. Die Patienten nahmen in der Kontrollperiode fast doppelt so viele Hyoscyamin-Tabletten ein wie in den drei Wochen der Placebophase (durchschnittliche Anzahl der Tabletten: 3,8 vs. 2). Darüber hinaus benötigten 16 Patienten (53,3 %) in der Kontrollphase mehr Notfallmedikamente, wohingegen nur zwei Teilnehmer (6,7 %) unter Placebo häufiger auf die Hyoscyamin-Tabletten zurückgriffen (p = 0,001).

Zwar berichteten 14 der 30 Kinder und Jugendlichen (46,7 %) über eine allgemeine Verbesserung während der Placebophase gegenüber neun (30 %) während der Kontrollphase, doch war der Unterschied nicht signifikant. Kein Teilnehmer vermerkte unerwünschte Wirkungen des Scheinmedikaments.

Ein Plus für Placebo

Die Ergebnisse legen nahe, dass offene Gaben von Placebo eine positive Wirkung haben. Eine methodische Schwäche - die jedoch nicht zu vermeiden ist - könnte sein, dass die Gruppenzuordnung nicht verblindet geschah. Die Konsequenz könnte sein, dass die Kinder den Forschern mit positiven Ergebnissen gefallen wollten und die Ärzte die Patienten eventuell unbewusst anders behandelt haben. Auch könnten einige Placeboeffekte im Kindesalter auf die Erwartungen der Eltern zurückzuführen sein.

Trotzdem sind sich die Autoren sicher, dass durch offene Gaben von Placebo im Kindesalter weniger Pharmaka eingesetzt werden müssen und es damit zu weniger unerwünschten Wirkungen kommt. Placebos könnten eine kostengünstige, leicht zu verabreichende, sichere und wirksame Methode sein, um bei Patienten mit funktionellem Bauchschmerz und Reizdarmsyndrom Therapieerfolge zu erzielen.

Nurko S et al. Effect of open-label placebo on children and adolescents with functional abdominal pain or irritable bowel syndrome. A randomized clinical trial. JAMA Pediatr 2022;e215750