Große Hoffnungen wurden in das "Bindungshormon" Oxytocin bei der Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen gesetzt. Wohl vergeblich, wie eine Studie nun zeigt. Denn Oxytocin scheint zwar keine schweren Nebenwirkungen zu haben, aber eben auch keinen therapeutischen Nutzen.

Oxytocin wird ein positiver Einfluss auf soziale Bindungen zugeschrieben. Seine Wirkung bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) wurde bereits in kleinen Studien untersucht. Da sich hier Hinweise auf einen möglichen Nutzen ergeben hatten, wurde Oxytocin bereits im größeren Rahmen bei Kindern und Jugendlichen außerhalb von klinischen Studien versuchsweise angewendet.

In der vorliegenden Studie wurden Kinder und Jugendliche (3-17 Jahre) mit ASS in zwei Gruppen randomisiert. Sie erhielten täglich entweder intranasales Oxytocin (48 internationale Einheiten) oder Placebo. Die Behandlung erfolgte über einen Zeitraum von 24 Wochen. Der primäre Studienendpunkt war die Veränderung auf einer validierten Skala für Problemverhaltensweisen ("aberrant behavior checklist modified social withdrawal subscale", ABC-mSW), mit der sich 13 Aspekte der sozialen Interaktion erfassen lassen. Von den 290 Studienteilnehmern beendeten 139 aus der Oxytocin- und 138 aus der Placebogruppe den 24-wöchigen Behandlungszeitraum.

Weder im primären Endpunkt noch in sekundären Endpunkten fanden sich Unterschiede zwischen den Gruppen. Das Auftreten und der Schweregrad von Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich. Daraus folgern die Autoren, das Oxytocin zwar sehr gut verträglich, allerdings auch vollkommen wirkungslos bei der Behandlung von ASS ist.

Sikich L, Kolevzon A, King BH et al. Intranasal oxytocin in children and adolescents with autism spectrum disorder. N Engl J Med 2021;385:1462-73

Kommentar

Natürlich wäre eine wirksame Behandlung der Störungen des Sozialverhaltens bei Menschen mit Autismus mehr als ersehnt gewesen. Oxytocin, das "Bindungshormon", wurde aus verschiedenen Erwägungen heraus als mögliches Therapeutikum diskutiert, auch spielten Beobachtungen bei verschiedenen Erkrankungen wie der postpartalen Depression über die Schizophrenie bis hin zu Borderline-Störungen und Anorexie eine Rolle. Vor allem in den USA scheint Oxytocin mit und ohne ärztliche Beteiligung bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt worden zu sein. Die Ergebnisse der hier vorliegenden Studie sind deutlich und ernüchternd. Keine Nebenwirkungen - aber auch keine Wirkung. Es bleibt zu hoffen, dass die verständliche Not bei den Eltern der betroffenen Kinder nicht zu einem Wechsel zum nächsten Strohhalm ohne empirische Belege führt.