Impfskeptiker überzeugt man nicht mit Aufklärungskampagnen und pauschalen Argumenten, sondern indem man auf ihre persönliche Erzählung eingeht. Wie das ablaufen kann, erläutert Professor Horst von Bernuth, Immunologe an der Berliner Charité.

Mein Sohn ist als Kleinkind nach einer Polioimpfung schwer an einem Lungenödem erkrankt, daher lassen wir ihn jetzt nicht mehr impfen." Erzählungen wie diesen begegnet man in der pädiatrischen Praxis häufig. In vielen Familien halten sich solche Mythen hartnäckig, sogar über Generationen hinweg. Wer ihnen entgegentreten will, sollte nach Professor Horst von Bernuth, Leiter der Sektion Immunologie an der Berliner Charité, vor allem eins vermeiden: Einen "globalen Vortrag", in dem versucht wird, die Sorge des Elternteils mit Pauschalargumenten aus dem Weg zu räumen. Der Impfskepsis liegt nach von Bernuth oft eine sehr persönliche Geschichte zugrunde, die es in einer möglichst ausführlichen Anamnese zu eruieren gelte.

Dabei meinte der Immunologe ausdrücklich nicht die "beinharten" Impfgegner. Diese machten unter den Impfsäumigen ohnehin nur einen kleinen Bruchteil aus. Der Versuch, sie von einer Impfung zu überzeugen, sei in der Regel ein sinnloses Unterfangen. "Die Schlacht wird bei den Impfskeptikern geschlagen." Und zwar nicht mit staatlichen Aufklärungskampagnen, wie sie das Gesundheitsministerium derzeit für die Coronaimpfungen propagiert. Von diesen hält von Bernuth generell wenig. Was bei Eltern zähle, sei das Bauchgefühl: "Personen vertrauen die Patienten deutlich mehr als Institutionen."

Komme etwa jemand in die Sprechstunde, der von Gesundheitsschäden durch die Masernimpfung gehört hat, empfiehlt von Bernuth, dem eine eigene, ebenso persönliche "Erzählung" entgegenzusetzen, etwa so: "Das, was Sie mir berichten, habe ich persönlich noch nicht erlebt. Ich habe aber zwei Kinder mit einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis nach Wildtypmasern gesehen." Dies könne man mit wissenschaftlichen Fakten unterfüttern.

Impfskepsis wird vererbt

An der Charité lief nach dem Masernausbruch 2014/2015 eine Studie, in der die Häufigkeit der infektionsbedingten Wiedervorstellungen in allen neun Berliner Kinderkliniken bei drei Gruppen verglichen wurde: 250 Masernpatienten sowie zwei Kontrollgruppen, die entweder ursprünglich wegen einer anderen Infektion oder aus einem ganz anderen Grund ins Krankenhaus gekommen waren. Das Risiko für einen erneuten Klinikaufenthalt aufgrund einer Infektionserkrankung war bei den Masernpatienten insgesamt etwa um den Faktor 1,5 erhöht. Von dem eindeutigen und statistisch signifikanten Ergebnis war der Immunologe überrascht.

Der Patient, der nach der Polioimpfung im Kleinkindalter an einem Lungenödem erkrankt sein soll, ist mittlerweile erwachsen. Seine von der Mutter übernommene Impfskepsis habe sich inzwischen verfestigt, da sein Sohn nach einer Tetanusimpfung immer wieder über Bauchschmerzen klagte, berichtete von Bernuth. Obwohl der Mann als Landwirt diese Impfung eigentlich dringend selbst benötigt, habe er sie bislang abgelehnt. Die Anamnese ergab, dass der Mann - wie sein Sohn - oft Bauchschmerzen hat. Im Labor fielen deutlich erhöhte Lipasewerte auf. Der Immunologe hofft nun, dass es ihm gelingt, den Mann zum Gastroenterologen "zu bekommen."

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Eltern lassen sich meist eher durch eine gute Beziehung zum Kinderarzt von einer Impfung überzeugen als durch unpersönliche Impfkampagnen.

Keine Pauschalargumente, die nicht mal stimmen!

Was man sich nach von Bernuth sparen sollte, sind Aussagen wie: "Wir haben damals in der DDR alle Kinder gegen Masern geimpft, da lief immer alles super." Denn die Lebendimpfung könne im Einzelfall durchaus Nebenwirkungen haben. So sei etwa bei Patienten, die unter einem seltenen Defekt der Interferonantwort leiden, das Risiko für eine Enzephalitis durch Masernimpfviren erhöht. "Wenn Sie Impfskeptikern mit einem Pauschalargument gegenübertreten, das nicht mal stimmt, ist das keine kluge Idee", so der Immunologe. Damit setze man dem Mythos nur einen anderen Mythos entgegen. Dr. Elke Oberhofer

Basierend auf: DGKJ-Kongress, 6.-9. Oktober 2021, Berlin