ADHS äußert sich bei Kindern und Jugendlichen auf verschiedene Weise. Und ebenso unterschiedlich reagieren diese Kinder auf COVID-19-bedingte Einschränkungen. Ein Forscherteam hat nun untersucht, welche Kinder mit ADHS besonders unter dem Lockdown leiden und wer entsprechend besonderer Zuwendung bedarf.

Die Autoren einer italienischen Studie untersuchten die psychoemotionale Beeinträchtigung durch den COVID-19-bedingten Lockdown bei Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Dazu füllten 992 Eltern von mit ADHS diagnostizierten Kindern und Jugendlichen im Alter von 5-18 Jahren einen standardisierten Fragebogen aus, der sechs psychoemotionale Zustände abfragt: Langeweile, Lustlosigkeit, Gereiztheit, vermehrte Wutanfälle, Ängstlichkeit, Traurigkeit. Abgefragt wurde, ob diese Zustände jeweils "gar nicht", "selten" (1-2 Tage/Woche), "moderat" (3-4 Tage/Woche) oder "häufig" (5-7 Tage/Woche) auftraten. Es wurden sowohl Daten über die Zeit vor als auch während des Lockdowns separat erhoben.

Bei Kindern mit ADHS, die bezüglich der abgefragten psychoemotionalen Zuständen vor dem Lockdown gar nicht oder selten auffällig waren, verstärkten sich diese im Lockdown erheblich. Ausnahmen waren Ängstlichkeit und bei Jugendlichen Traurigkeit. Bei Kindern hingegen, die vor dem Lockdown moderat oder häufig auffällig waren, verbesserten sich diese Zustände während des Lockdowns. Lediglich Langeweile und Lustlosigkeit gaben sie vermehrt an.

Zwischen Kindern und Jugendlichen fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Kinder zeigten aber insgesamt eine Tendenz zu einer größeren emotionalen Beeinträchtigung durch den Lockdown als Jugendliche.

Die Autoren empfehlen daher, gerade die nur leicht betroffenen Kinder und Jugendlichen mit ADHS sowie ihre Familien während der Pandemie stärker zu unterstützen.

Melgari MG et al. Identifying the impact of the confinement of Covid 19 on emotional-mood and behavioural dimensions in children and adolescents with ADHD. Psychiatry Res 2021;296:113692

Kommentar

Interessant ist das Ergebnis, dass ein Teil der Kinder mit ADHS durchaus von den unter einem Lockdown herrschenden Bedingungen profitiert. Dies beobachten wir auch im klinischen Alltag: Die meist hohe Geräuschkulisse im Klassenraum sowie die erhöhte Ablenkung durch andere Mitschüler stellt für reizoffene Kinder eine große Herausforderung dar. In Klassen mit geringer Gruppenstärke oder in einer 1:1-Situation gelingt es den Betroffenen dagegen oft besser, ihren Lernstoff zu bewältigen und Erfolgserlebnisse zu erzielen - was wiederum die Motivation zum Lernen steigert.

Interessant ist auch, dass gemäß den Studienergebnissen vor allem die schwer von ADHS betroffenen Kinder mit ausgeprägten psychoemotionalen Verhaltensauffälligkeiten vom Lockdown profitieren, nicht aber die nur leicht betroffen - diese wurden sogar noch auffälliger.

Leider wurde in der Studie nicht das familiäre Umfeld während des Lockdowns erfasst. Spielte vielleicht die Fähigkeit der Eltern, ihr Kind im Homeschooling strukturiert anzuleiten eine Rolle für das bessere Abschneiden? Zumindest beobachten wir, dass die Anwesenheit der Eltern im Alltag und ihre Fähigkeit, den virtuellen Unterricht strukturiert und positiv motivierend zu begleiten, einen erheblichen Einfluss auf die psychoemotionalen Verhaltensauffälligkeiten der betroffenen Kinder hat.