Bislang gab es keine aussagekräftigen Daten, ob das ADHS-Risiko für Kinder erhöht ist, wenn die Mutter an einer Autoimmunerkrankung leidet. Eine große Registerstudie mit Metaanalyse gibt jetzt endlich Antworten.

Die Autoren untersuchten in einer Kohortenstudie, ob Kinder von Müttern mit Autoimmunerkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben. In einem Register wurden in Australien von 2000-2014 alle Kinder von Müttern mit Autoimmunerkrankungen (n = 12.610) erfasst und mit einer Kontrollgruppe von Kindern verglichen, deren Mütter keine Autoimmunerkrankungen haben (n = 50.440). Kriterien für die ADHS-Diagnose der Kinder im Alter von 4-14 Jahren waren die Verschreibung eines entsprechenden Medikaments oder ein stationärer Aufenthalt wegen ADHS. Hatten die Mütter eine Autoimmunerkrankung, war das Risiko für eine ADHS beim Kind signifikant um bis zu 30 % erhöht. Besonders hoch war das Risiko bei einem maternalen Diabetes Typ I, einer Psoriasis oder bei rheumatischem Fieber.

Die Autoren verglichen ihre Ergebnisse auch im Rahmen einer Metaanalyse mit anderen Studien, die bis 2019 veröffentlicht worden waren. Ihre Ergebnisse waren mit denen anderer Autoren konkordant.

Erstmals konnte also anhand einer sehr hohen Fallzahl ein Zusammenhang zwischen Autoimmunerkrankungen und ADHS belegt werden. Nach wie vor aber bleibt die Kausalität unklar: Handelt es sich um ein (epi-)genetisches Phänomen? Liegen dem unterschiedliche Mechanismen zugrunde? So wurde etwa auch bei maternalem Diabetes Typ II ein erhöhtes Risiko für ADHS beim Kind beschrieben. In diesem Fall könnten womöglich Hyperglykämien während der Schwangerschaft kausal verantwortlich sein. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass Hyperglykämien mit einer reduzierten zerebralen Myelination und Defiziten in Gedächtnisaufgaben assoziiert sind.

Nielsen TC et al. Association of maternal autoimmune disease with ADHS in children. JAMA Pediatr 2021;175:e205487

Kommentar

Eine Assoziation zwischen maternalen Autoimmunerkrankungen und psychiatrischen/zerebralen Problemen bei den Kindern wurde bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen, vor allem für Schizophrenie, bipolare Störungen, Depressionen, Autismus-Spektrum- und Tic-Störungen [Wu S et al. Neurosci Biobehav Rev 2015;55:322-32]. Diskutiert werden genetische und umweltbedingte Risikofaktoren oder direkte Effekte durch plazentagängige mütterliche Autoantikörper oder Zytokine. Bisher lagen nur wenige Studien hinsichtlich mütterlicher Autoimmunerkrankungen und ADHS beim Kind vor - und dies mit nur wenigen Teilnehmern. Die Stärke der vorliegenden Studie ist ihre hohe Fallzahl. Die Schwäche besteht jedoch in der fehlenden differenzierten diagnostischen Abklärung einer ADHS. Als Definition wurde überwiegend eine entsprechende Medikation zugrunde gelegt.

Auch fehlt eine differenzierte Untersuchung, ob die Mütter eine ADHS haben, denn auch dies könnte das ADHS-Risiko beim Kind erhöhen. Wahrscheinlich wäre, dass der Zusammenhang zwischen Autoimmunerkrankung und ADHS auch noch im Erwachsenenalter besteht. Interessant wäre auch eine Untersuchung, ob das Risiko für eine ADHS beim Kind auch dann erhöht ist, wenn der Vater an einer Autoimmunerkrankung leidet. Auch wäre spannend, ob es Gender-Unterschiede bei den betroffenen Kindern gibt und ob bestimmte Subformen der ADHS besonders betroffen sind. Viele Fragen sind also noch unbeantwortet und es wäre wünschenswert, dass weitere Studien folgen.