Wie sieht es bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung mit körperlicher Aktivität und dem Konsum elektronischer Geräte aus? Eine aktuelle US-amerikanische Studie im Maternal and Child Health Journal kommt zu ernüchternden Ergebnissen.

Der National Survey of Children's Health (NSCH) liefert auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene Daten über die physische und emotionale Gesundheit US-amerikanischer Kinder. Die vorliegende Studie analysierte die Angaben des NSCH aus dem Zeitraum 2016-2017, um erstmals alle Formen der Nutzung von Fernsehen, Video und tragbarer elektronischer Geräte durch Kinder mit und ohne Autismus-Spektrum-Störung (ASS) nach Alter und Schweregrad der ASS zu vergleichen.

1.711 der mittels Fragebögen Befragten gaben an, dass sie ein Kind mit Autismus, ASS oder einem Asperger-Syndrom haben. Sie repräsentierten 2,4 % aller Teilnehmer an der Umfrage. Mit zunehmendem Alter verbrachten die meisten Kinder mit ASS deutlich mehr Zeit mit Fernseh- und Videonutzung als ihre Altersgenossen ohne ASS und beschäftigten sich länger mit tragbaren elektronischen Geräten. Der höchste Prozentsatz der Kinder, die mehr als 4 Stunden täglich vor elektronischen Geräten saßen, betraf die Gruppe von Geburt bis 5 Jahre mit schwerer ASS.

Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, dass Kinder mit ASS die jüngste Grundsatzerklärung der American Academy of Pediatrics (Council on Communications and Media, Media and Young Minds 2016) zur Bildschirmzeit nicht umsetzen. Die Grundsatzerklärung gibt einen Überblick über Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Bildschirmzeit auf die Gesamtentwicklung, den Schlaf, die Adipositas und die Interaktion der Eltern. Die Richtlinie rät davon ab, Kindern unter 18 Monaten, andere Bildschirmmedien als Video-Chats anzubieten, empfiehlt nur qualitativ hochwertige Programme für Kinder im Alter von 18-24 Monaten mit gemeinsamer Nutzung durch Eltern und Kind und fordert eine zeitliche Begrenzung auf maximal eine Stunde pro Tag.

Menear KS et al. Comparison of physical activity, TV/Video watching/gaming, and usage of a portable electronic devices by children with and without autism spectrum disorder. Matern Child Health J 2020;24:1464-72

Kommentar

Erschreckend und anscheinend hoffnungslos, wie ein großer Teil von Kindern und Jugendlichen mit ASS in den USA ihre Zeit verbringt. Diese repräsentative Stichprobe mit Vergleichsgruppe kann helfen, individualisierte Interventionen und unterstützende Dienste einzufordern, um die körperliche Aktivität von Kindern mit ASS zu steigern.

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© Andrey Popov / Fotolia (Symbolbild mit Fotomodell)

Da Kinder einen großen Teil des Jahres in Schulen verbringen, sollten insbesondere Erzieher, Lehrer und Sportlehrer positive und unterstützende Gelegenheiten für Kinder schaffen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Vermittlung von motorischen Fähigkeiten und der Unterstützung bei deren Umsetzung in geeigneten Umgebungen. Dies ist vor allem wichtig für Kinder mit einer schweren Form von ASS, da diese den Tag mit unverhältnismäßig viel Fernsehen, Videospielen und der Nutzung tragbarer elektronischer Geräte und fast ohne körperliche Aktivität verbringen.

Als Gestalter zahlreicher Familien-Erlebnisfreizeiten mit teilweise recht ungestümen Kindern kann ich bestätigen, dass körperliche Bewegung - insbesondere in der Natur - sehr positive Effekte auf das Befinden und den Nachtschlaf hat. Dabei werden wichtige Entwicklungsinhalte erlebt wie gegenseitige Rücksichtnahme, Freundschaft und die Berherrschung realer Ängste. Freiräume ganz ohne Smartphone sind eminent wichtig. Deswegen ist auch ein Umdenken in betroffenen Familien entscheidend. Wir Kinderärzte sitzen an der Quelle und sollten entsprechende Anstöße geben - am besten gleich morgen.