Chronisch rezidivierende Bauchschmerzen sind im Kindesalter häufig. Meist genügen Anamnese, klinische Untersuchung und ein Basislabor, um organische Ursachen auszuschließen. Doch in bestimmten Fällen ist mehr nötig.

Dem Konzept der funktionellen Abdominalbeschwerden liege ein biopsychosoziales Interaktionsmodell zugrunde, betonte Professor Carsten Posovszky, Kinder- und Jugendmedizin, Ulm, auf dem virtuellen Schmerzkongress 2020. Dabei scheinen viele biologische und psychische Faktoren in einer komplexen Interaktion zu stehen, beispielsweise genetische Faktoren, Motilitätsstörungen sowie metabolische und inflammatorische Mechanismen wie Mastzellaktivierung, Serotonin- und Zytokinausschüttung.

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Abdominelle Schmerzen an mindestens vier Tagen pro Monat können ein Hinweis für einen Reizdarm sein.

Nicht vollständig durch andere somatische Erkrankungen erklärbar

Funktionelle gastrointestinale Störungen im Kindesalter seien, so Posovszky, nach der 2016 verabschiedeten Rom IV-Klassifikation einzuteilen [Hyams JS et al. Gastroenterology 2016;150:1456-68]. Bei den funktionellen Störungen mit Bauchschmerzen unterscheidet Rom IV die funktionelle Dyspepsie, das Reizdarmsyndrom, die abdominelle Migräne und die Ausschlussdiagnose "funktionelle Bauchschmerzen, nicht anders spezifiziert." Für die Diagnose Reizdarm beispielsweise müssen alle der folgenden Kriterien über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten erfüllt sein:

  • Es kommt zu abdominellen Schmerzen an mindestens vier Tagen pro Monat, assoziiert mit einem oder mehr der folgenden Zeichen: Bezug zur Defäkation, Änderung der Stuhlfrequenz oder -konsistenz.

  • Liegt eine Obstipation vor, bessert sich der Schmerz nicht durch deren Behebung.

  • Die Symptome können nach sachgemäßer Diagnostik nicht vollständig durch eine andere medizinische Erkrankung erklärt werden.

Organische Ursachen immer aktiv ausschließen

"Die Erfüllung der Rom-IV-Kriterien ermöglicht es nicht, organische Ursachen auszuschließen," betonte Posovszky. Für eine sorgfältige Abklärung genügen aber meist die Anamnese, klinische Untersuchung und wenige Laborwerte. Laut Konsultationsfassung der in Kürze erwarteten Neufassung der S3-Leitlinie zum Reizdarm sind bei Kindern diese Basislabor-Untersuchungen angezeigt:

  • BB, CRP oder BSG, Lipase, GPT, Gamma-GT, IgA gesamt, Gewebsglutaminase-IgA-Ak, TSH, Kreatinin, BZ

  • Urinstatus

  • Stuhl auf Giardia lamblia-Antigen, Dientamoeba fragilis, Würmer, fäkale Inflammationsmarker wie Calprotectin oder Laktoferrin

Eine invasivere Diagnostik ist laut Posovszky nur bei "red flags oder auffälliger Basisdiagnostik angezeigt. Wenn alles für eine funktionelle Störung spricht, dann sei es wichtig, diese Diagnose auch klar auszusprechen, unter anderem um das bei diesen Störungen häufige Doctor-Hopping zu vermeiden. Dabei sei es entscheidend, die Kinder und deren Eltern zu beruhigen, und positive Konnotationen zur Diagnose aufzubauen, etwa indem man über die Gutartigkeit und Behandelbarkeit der Erkrankung aufklärt.

Beratung und Psychotherapie an erster Stelle

"Die Behandlung funktioneller Beschwerden bei Kindern gehört in die Hand des Kinderarztes," unterstrich Posovszky. Wichtige therapeutische Bausteine seien dabei die Beratung der Eltern zum richtigen Umgang mit den Schmerzen und kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen. Auch eine darmzentrierte Hypnotherapie sei bei Kindern nachweislich wirksam und solle erwogen werden. Hinweise auf einen positiven Effekt gäbe es auch zu Yoga, dem Führen von Symptomtagebüchern und zu Probiotika. Die Leitlinien empfehlen einen Behandlungsversuch mit Probiotika insbesondere bei postenteritischer Genese eines Reizdarmsyndroms oder bei prädominanter Diarrhö.

Basierend auf: "Chronisch-rezidivierende Bauchschmerzen", Vortrag auf dem Deutschen Schmerzkongress, 22.10.2020