Frage: Die Gewichtszunahme hängt eng mit der Ernährung zusammen. Wie aber kann Säuglingsernährung das spätere Adipositasrisiko beeinflussen?

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Expertenantwort: Beobachtungsstudien zeigten eine Assoziation zwischen beschleunigter Gewichtszunahme sowie einer zu hohen Proteinzufuhr im Säuglingsalter und einem erhöhten Risiko für Übergewicht im späteren Leben. Eine Metaanalyse der Daten von 47.661 Teilnehmern an Geburtskohortenstudien zeigte, dass eine 2,5 kg höhere Gewichtszunahme zwischen 0 und 1 Jahr (d. h. + 1 SD der WHO-Wachstumsstandards) das Adipositasrisiko im Erwachsenenalter um 23 % erhöht [1]. Beobachtungsstudien vor dem Jahr 2000 ergaben, dass nicht gestillte Babys schneller an Gewicht zunehmen und später häufiger übergewichtig sind als gestillte [2]. Da der Proteingehalt in Säuglingsmilch (SMN) damals erheblich höher war als in Muttermilch, gerieten die Proteine in den Fokus.

Eine exzessive Proteinzufuhr im Säuglingsalter, so die Hypothese, führt unter anderem zu einer vermehrten Fettzellenbildung, beschleunigter Gewichtszunahme und zur frühen Programmierung des langfristigen Adipositasrisikos. Diese "frühe Protein-Hypothese" wurde in der CHOP-Studie (EU Childhood Obesity Programme) bestätigt. Die Ergebnisse zeigten, dass Säuglinge, die im ersten Lebensjahr SMN mit hohem Eiweißgehalt erhielten, mit zwei Jahren einen höheren BMI hatten als gestillte [3]. Bei Kindern, die SMN mit reduziertem Eiweißgehalt bekommen hatten, war das nicht der Fall. Bei der Nachuntersuchung mit sechs Jahren war das Adipositasrisiko in der mit proteinreicher SMN ernährten Gruppe 2,43-mal größer als in der mit proteinreduzierter SMN ernährten Gruppe [4]. Die Gewichtszunahme hängt aber nicht nur von der Proteinmenge, sondern - wie Studien zeigen - auch von der Proteinqualität ab [5].

In der CHOP-Studie stieg der Proteingehalt der Folgemilch in beiden Gruppen an. In Muttermilch dagegen passt er sich der mit dem Alter abnehmenden Wachstumsgeschwindigkeit des Säuglings an und nimmt innerhalb der ersten drei Lebensmonate ab. Da eine Stilldauer von über sechs Monaten das spätere Adipositasrisiko stärker reduziert als eine Stilldauer von drei bis sechs Monaten [6] und der bedarfsgerechte Proteingehalt der Muttermilch offenbar eine wichtige Rolle dabei spielt, wurde ein neues 2-Stufen-System mit geringerem Proteingehalt der Folgemilch entwickelt.

Weniger Protein - weniger Gewichtszunahme

Studien zeigten, dass Folgemilch mit nur 1,61-1,65 g Protein bei ausschließlicher Ernährung im Alter von 3-6 Monaten und im Alter von 6-12 Monaten in Kombination mit Beikost normales Wachstum gewährleisteten. Bei Säuglingen nicht selektierter Mütter reduzierte die Niedrigprotein-SMN den Prozentsatz der Kinder mit Gewichtszunahme über der 85. Perzentile der WHO-Standards zwischen vier und zwölf Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe [7]. Auch bei Neugeborenen übergewichtiger Mütter war die Gewichtsentwicklung ähnlich wie bei gestillten Kindern; zwischen vier und zwölf Monaten und sogar noch nach Ende der Intervention bis zum Alter von 24 Monaten deutlich langsamer als in der Kontrollgruppe [8]. Der positive Effekt von Stillen beruht sicher nicht allein auf der bedarfsgerechten Menge an qualitativ hochwertigem Protein in der Muttermilch. Dennoch können Empfehlungen zur frühen Prävention von Übergewicht gegeben werden:

Die frühe Adipositasprävention ist wegen der langfristigen Auswirkungen besonders wichtig. Die gesündeste Ernährung ist ausschließliches Stillen in den ersten 4-6 Monaten und Weiterstillen bis Ende des ersten Lebensjahres in Kombination mit Beikost. Wird nicht oder nicht mehr gestillt, sollte Säuglingsanfangs- und Folgemilch mit einem geringen Proteingehalt und hoher Proteinqualität bevorzugt werden.